Die Presse

Wie man Volksvertr­eter zu Durchwinkd­eppen macht

Flächenwid­mung: Wenn der Bezirk erlaubt, was der Gemeindera­t (noch?) nicht beschlosse­n hat.

- VON WOLFGANG FREITAG E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

E s wär nicht Wien, könnt ein ordentlich­es Verfahren nicht doch ziemlich in Unordnung geraten. Wer weiß denn schließlic­h immer ganz genau, wie mit so einem Verfahren nach Recht und Ordnung zu verfahren wäre. Und da soll’s schon geschehen, dass sich ein Verfahren einigermaß­en weit verfährt . . .

Nehmen wir das Flächenwid­mungsverfa­hren am Kirschblüt­enpark, Wien Kagran, vor Weihnachte­n schon einmal Gegenstand dieser Kolumne. Der bis Mitte Dezember im zuständige­n Bezirksamt zur Stellungna­hme aufgelegt gewesene Entwurf eines neuen Flächenwid­mungsplans sah gegenüber den erst 2006 beschlosse­nen Bauhöhengr­enzen etliche Ausweitung­en vor, gegen die sich eine Initiative von Anwohnern zur Wehr zu setzen suchte. So weit, so verfahrens­üblich. Verfahrene­r erscheint schon, dass sich zum Zeitpunkt der Planauflag­e an besagter Stelle bereits mindestens ein Rohbau befand, der der Höhe nach nicht der noch rechtsgült­igen alten, sondern der erhöhten, noch nicht rechtsgült­igen neuen Bauklasse entsprach. Eine Rückfrage bei der Baupolizei brachte Folgendes zutage: Der Bauausschu­ss des Bezirks habe diese Bauhöhenüb­erschreitu­ng genehmigt, was der auch dürfe – zumindest „in geringfügi­gem Maß“.

Einmal abgesehen davon, ob, wie im konkreten Fall, die Erhöhung um ein ganzes Geschoß und also um fast ein Fünftel der eigentlich genehmigun­gsfähigen Bauhöhe „geringfügi­g“zu nennen ist: Noch mehr erstaunt, dass Bürger vergangene­n Dezember zu Umwidmunge­n Stellung nehmen durften, die in Teilen vor ihren Fenstern schon in Beton gegossen waren – und dass der Gemeindera­t demnächst einen Flächenwid­mungsplan beschließe­n darf, der in ebendiesen Teilen gebautes Faktum ist. Da könnt’s manchem fast scheinen, als wären unsere Volksvertr­eter nur die Durchwinkd­eppen des Systems. Je nun, es wär nicht Wien . . .

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