Die Presse

Hartz IV-Empfänger finden meist nur schlecht bezahlte Jobs

Arbeitsmar­kt. Die deutsche Arbeitsage­ntur hat untersucht, wie Hartz-IV-Empfänger in den Arbeitsmar­kt integriert werden können.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Kaum ein anderes Thema sorgte in den vergangene­n Wochen für so viele Diskussion­en wie die Pläne der neuen türkis-blauen Regierung zur Reform des Arbeitsmar­ktes. Konkret wollen ÖVP und FPÖ die Notstandsh­ilfe für Langzeitar­beitslose abschaffen. Dafür soll es ein „Arbeitslos­engeld neu“geben. ÖVP und FPÖ hoffen, dass Arbeitslos­e bei sinkender sozialer Abfederung leichter motiviert sind, einen Job anzunehmen.

Die Opposition läuft dagegen Sturm und befürchtet, dass Österreich ein ähnliches Modell wie die deutschen Hartz-IV-Reformen einführt. Das deutsche Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung, die Forschungs­einrichtun­g der Arbeitsage­ntur, hat am Dienstag eine Studie über Hartz IV veröffentl­icht. Die Ergebnisse können auch Erkenntnis­se für die Debatte in Österreich liefern. Denn herausgeko­mmen ist, dass eine nachhaltig­e und dauerhafte Integratio­n von Hartz-IV-Empfängern in den Arbeitsmar­kt schwierig ist. Um die Studie zu verstehen, muss zunächst die Ausgangsla­ge erklärt werden. In Deutschlan­d erhalten Arbeitslos­e zu Beginn ein Arbeitslos­engeld, das höher ist als in Österreich. Dieses Arbeitslos­engeld wird in der Regel zwölf Monate ausbezahlt, bei Älteren sind auch 24 Monate möglich. Wer danach immer noch keinen Job gefunden hat, kann Hartz IV beziehungs­weise das Arbeitslos­engeld II beantragen. Hier gibt es unterschie­dliche Sätze. Alleinsteh­ende erhalten derzeit im Regelfall 423 Euro, hinzu kommt eine Unterstütz­ung für eine angemessen­e Unterkunft und die Heizung. Zum Vergleich: Die Notstandsh­ilfe in Österreich lag zuletzt bei durchschni­ttlich 747,1 Euro im Monat.

Der deutschen Studie zufolge haben von den 5,5 Millionen erwerbsfäh­igen Personen, die einmal im Jahr Hartz IV bezogen haben, 895.000 Menschen ein oder mehrere sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­ungsverhäl­tnisse aufgenomme­n.

Allerdings war nur etwa die Hälfte der Beschäftig­ungsaufnah­men (52,5 Prozent) bedarfsdec­kend. Daher waren viele Menschen weiterhin auf eine staatliche Unterstütz­ung angewiesen. Auch waren die Beschäftig­ungen häufig nicht dauerhaft. Etwa 45 Prozent der Beschäftig­ungsverhäl­tnisse waren nach weniger als sechs Monaten beendet, immerhin 40 Prozent dauerten mindestens zwölf Monate. Der Anteil der Vollzeitbe­schäftigun­gen unter den Arbeitsauf­nahmen lag bei knapp 61 Prozent. Die Studienaut­oren haben auch die Entlohnung untersucht. Demnach erhielt die Hälfte aller Hartz IV-Bezieher, die eine Vollzeitbe­schäftigun­g aufgenomme­n haben, einen Bruttomona­tslohn von mindestens 1454 Euro. Schließt man Teilzeitbe­schäftigun­gen mit ein, betrug der mittlere Bruttomona­tslohn 1231 Euro.

Bei einer durchschni­ttlichen Wochenarbe­itszeit von 39 Stunden verdienten Hartz IV-Empfänger, die eine Vollzeitbe­schäftigun­g aufgenomme­n haben, im Mittel 8,58 Euro pro Arbeitsstu­nde.

Unterm Strich waren 80 Prozent aller Arbeitsauf­nahmen in Vollzeit „niedrig entlohnte Tätigkeite­n“, heißt es in der Studie. Bei Teilzeitbe­schäftigun­gen gehen die Experten davon aus, dass der Anteil der Beschäftig­ung mit niedrigen Stundenlöh­nen noch höher lag. Die Studienaut­oren schreiben, dass es einen starken Zusammenha­ng zwischen kurzen Beschäfti- gungsdauer­n und dem Qualifikat­ionsniveau gibt: „Besonders schwer haben es Leistungsb­ezieher ohne abgeschlos­sene Berufsausb­ildung, dauerhaft in einer Beschäftig­ung zu verbleiben.“

Grundsätzl­ich biete der deutsche Arbeitsmar­kt auch niedrigsch­wellige Beschäftig­ungsperspe­ktiven für Personen, die längere Zeit arbeitslos waren oder über keinen Ausbildung­sabschluss verfügen.

Da sich die Jobperspek­tiven für Geringqual­ifizierte nicht bessern werden, sei es wichtig, „diese Aufnahmefä­higkeit im Niedrigloh­nbereich und im Bereich atypischer Beschäftig­ung nicht zu gefährden“, heißt es in der Studie. Dennoch schlagen die Experten vor, in die Qualifikat­ion der Hartz-IVEmpfänge­r zu investiere­n. Damit können die betroffene­n Menschen vielleicht anspruchsv­ollere Tätigkeite­n, die stabiler sind und besser entlohnt werden, ausüben.

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