„Der Krieg ist nicht ganz so sexy wie die Alma“
Interview. Paulus Manker über sein Projekt „Die letzten Tage der Menschheit“als großes Spektakel, seine Rachsucht, die Leidenschaft zur Lokführerschaft, über Kurz, Kickl, Strache – und dass es mit 60 schon recht anstrengend ist, böse zu sein.
Die Presse: Sie werden morgen 60 Jahre alt. Wird es langsam Zeit für König Lear? Paulus Manker: Die Rolle interessiert mich nicht. Dazu habe ich zu viele gesehen, die daran gescheitert sind.
An welche Zeit denken Sie gerne zurück? Ans Burgtheater zu Beginn meiner Laufbahn, an die Arbeit mit Peter Zadek, mit dem ich Mitte der Achtzigerjahre nach Hamburg ans Schauspielhaus gegangen bin. Es ist schön, in einem Ensemble zu sein. Es bringt Kontinuität, schafft Vertrauen. Das war eine glückliche und fruchtbare Zeit. So ein Kaliber wie Zadek gibt es heute nicht mehr. Er fehlt mir sehr. Gerne denke ich auch an die Jahre danach, als ich Filme wie „Schmutz“oder „Weiningers Nacht“gemacht habe. Und dann kamen die eigenen Theaterprojekte. Da hätte ich gar nicht mehr in ein Ensemble gehen können.
Wen würden Sie noch spielen wollen? Das kann ich nicht sagen. Ich mache lieber meine eigenen Sachen. Den Kokoschka in „Alma“spiele ich inzwischen auch schon 23 Jahre. Der ist im Stück aber Ende 20. Schön langsam sollte ich ihn aufgeben. Meine Inszenierung von „Alma“, mit der wir durch die ganze Welt getourt sind, werden wir im August übrigens zum 500. Mal spielen – diesmal wieder in Wiener Neustadt.
Wie wurde „Alma“zum Dauerbrenner? Es sind der ungeheure Reichtum ihres Lebens und der Sex. Ich werde heuer auch endlich ein Buch über sie herausbringen. Das Buch ist voller Schweinereien, Klatsch und Tratsch, Intimita – ein ideales pornografisches Weihnachtsgeschenk.
Sie werden in diesem Sommer auch „Die letzten Tage der Menschheit“von Karl Kraus produzieren. Der ist sicher etwas puritanischer als Alma Mahler-Werfel. Der Krieg ist nicht ganz so sexy wie das Leben eines Boxenluders der Wiener Kulturschickeria zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Die Premiere des Kraus-Dramas in Wiener Neustadt ist am 13. Juli. Was können Sie dazu bereits konkret sagen? Die Aufführung beginnt um 18 Uhr und dauert bis um zwei Uhr früh. Es wird 20 Schauplätze geben, 50 Schauspieler werden mitwirken und an die 800 Rollen spielen. Heuer gibt es noch nicht das ganze Stück, das ist erst für nächstes Jahr geplant, als theatergeschichtliche Großtat, die erste komplette Inszenierung überhaupt. Kraus hat sich auf die Spurensuche nach den wahren Schuldigen des Krieges gemacht, den Schiebern, den Politikern und vor allem natürlich den Journalisten. „Fake News“von 1914. Hat’s damals alles schon gegeben. Das Stück spielt ja zum Großteil nicht an der Front, sondern im Hinterland.
Kraus hielt es für nicht aufführbar . . . Es ist eigentlich gar kein Stück im herkömmlichen Sinn, sondern ein Doku-Drama, eine Collage wildester, unglaublichster Originalzitate. Kraus hat von einem „Marstheater“gesprochen, „für ein irdisches Theater zu umfangreich“. Theatergänger dieser Welt würden diesem Ansturm nicht standhalten. Jetzt werden wir die Leute eben herausfordern, aber auch gastronomisch versorgen, damit sie den Theater-Marathon durchhalten. Gespielt wird in der so genannten „Serbenhalle“, und auch die Speisen und Getränke werden vom Balkan sein. Eine Grillstation wird auf den Schienen auf und ab fahren, an der man sich den ganzen Abend bedienen kann. Wir haben eine komplette Eisenbahn in der Halle. Es wird schon ein großes Spektakel werden. Ich bin ja ausgebildeter Lokführer und werde die Leute selbst mit dem Zug auf dem ganzen Gelände herumfahren.
Hatten Sie nicht einen Eisenbahnunfall? Ich hatte eine Havarie am Werkstor, die war aber gar nicht so wild, ein schlechtes Ausparken, ehrlich gesagt. Es gab vor Gericht einen Freispruch. Eine Schlagzeile lautete: „Paulus Manker – Lokführer des Grauens“. Das hat sogar meiner Mutter gefallen.
Das Image böser Bub bedienen Sie gern? Das bedienen doch die Journalisten – nicht ich! Die Leute wollen doch den Skandal. Die sind auf Krawall gebürstet. Als Kind war ich bereits unerträglich. Ich musste oft die Schule wechseln, meine Eltern wurden immer wieder vorgeladen und mussten sich anhören, wie schwer erziehbar ich sei. Ich war schlimm und schlecht in der Schule – eine tödliche Kombination. Sind Sie wenigstens in reiferem Alter lieb und umgänglich geworden? Unterstehen Sie sich, das zu schreiben! Das wäre verheerend fürs Image. Ich bin jähzornig, nachtragend und rachsüchtig. Ich muss aber gestehen, dass es mit 60 schon recht anstrengend ist, böse zu sein.
Nun denn – was erwarten Sie sich von der neuen Regierung im Kulturbereich? Da kann man noch nicht viel sagen. Der Stil ist zumindest ein anderer, ob das jetzt erlogen, erzwungen oder ehrlich ist, muss sich erst herausstellen. Die Harmonie wirkt sehr erholsam für die Leute, das gefällt dem Volk. Stil hat Bundeskanzler Kurz jedenfalls, es wird zumindest nicht mehr ununterbrochen wie im Kindergarten gestritten. Was mich entsetzlich stört, ist Kickl als Innenminister. Der hat auf diesem Platz nichts verloren. Er hat das schlechte Benehmen in die Politik eingeführt. Er beunruhigt mich. Vizekanzler Strache hingegen ist schon zu alt und zu müde, um wirklich noch etwas anzurichten. Man sieht das besonders, wenn er neben Kurz steht. Die Anzüge sind ihm zu klein. Er sieht aus wie ein Firmling.
Wechseln wir das Thema: Wie finanzieren Sie Ihr neues Projekt? Ausschließlich privat. Vergangene Woche habe ich erfahren, dass es keine Subvention vom Land Niederösterreich geben wird. Das ist bitter, denn 2014, im ersten Jahr von „Alma“in Wiener Neustadt, hat mir Landeshauptmann Erwin Pröll noch in die Hand versprochen, dass sich Niederösterreich an der Finanzierung beteiligen wird. Er war in Sachen Kultur ein sehr verlässlicher Partner, ein aufgeklärter Absolutist. Von seiner Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner kommt kommentarlos nur ein „Njet“. Offenbar der neue Stil in Niederösterreich.
Wie also machen Sie die Sache jetzt? Ich muss das Risiko eben ganz privat auf mich nehmen. Es wird wieder in Selbst- und Fremdausbeutung ausarten. Dazu gibt’s leider keine Alternative. Die Politiker denken ohnehin immer, Künstler machen es auch für die halbe Gage, weil sie für die Kunst brennen. Ein Eisenbahner würde einfach aus dem Zug steigen und nicht fahren. Aber ein Künstler ist ein Zug, der immer unter Dampf steht. Meine Reise hat längst begonnen. Und es wird eine rasende Fahrt werden!