Die Presse

„Der Krieg ist nicht ganz so sexy wie die Alma“

Interview. Paulus Manker über sein Projekt „Die letzten Tage der Menschheit“als großes Spektakel, seine Rachsucht, die Leidenscha­ft zur Lokführers­chaft, über Kurz, Kickl, Strache – und dass es mit 60 schon recht anstrengen­d ist, böse zu sein.

- VON NORBERT MAYER Premiere von „Die letzten Tage der Menschheit“am 13. Juli in Wr. Neustadt. Bis 12. August in der Serbenhall­e Wiener Neustadt. Details unter www.letztetage.com

Die Presse: Sie werden morgen 60 Jahre alt. Wird es langsam Zeit für König Lear? Paulus Manker: Die Rolle interessie­rt mich nicht. Dazu habe ich zu viele gesehen, die daran gescheiter­t sind.

An welche Zeit denken Sie gerne zurück? Ans Burgtheate­r zu Beginn meiner Laufbahn, an die Arbeit mit Peter Zadek, mit dem ich Mitte der Achtzigerj­ahre nach Hamburg ans Schauspiel­haus gegangen bin. Es ist schön, in einem Ensemble zu sein. Es bringt Kontinuitä­t, schafft Vertrauen. Das war eine glückliche und fruchtbare Zeit. So ein Kaliber wie Zadek gibt es heute nicht mehr. Er fehlt mir sehr. Gerne denke ich auch an die Jahre danach, als ich Filme wie „Schmutz“oder „Weiningers Nacht“gemacht habe. Und dann kamen die eigenen Theaterpro­jekte. Da hätte ich gar nicht mehr in ein Ensemble gehen können.

Wen würden Sie noch spielen wollen? Das kann ich nicht sagen. Ich mache lieber meine eigenen Sachen. Den Kokoschka in „Alma“spiele ich inzwischen auch schon 23 Jahre. Der ist im Stück aber Ende 20. Schön langsam sollte ich ihn aufgeben. Meine Inszenieru­ng von „Alma“, mit der wir durch die ganze Welt getourt sind, werden wir im August übrigens zum 500. Mal spielen – diesmal wieder in Wiener Neustadt.

Wie wurde „Alma“zum Dauerbrenn­er? Es sind der ungeheure Reichtum ihres Lebens und der Sex. Ich werde heuer auch endlich ein Buch über sie herausbrin­gen. Das Buch ist voller Schweinere­ien, Klatsch und Tratsch, Intimita – ein ideales pornografi­sches Weihnachts­geschenk.

Sie werden in diesem Sommer auch „Die letzten Tage der Menschheit“von Karl Kraus produziere­n. Der ist sicher etwas puritanisc­her als Alma Mahler-Werfel. Der Krieg ist nicht ganz so sexy wie das Leben eines Boxenluder­s der Wiener Kulturschi­ckeria zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts.

Die Premiere des Kraus-Dramas in Wiener Neustadt ist am 13. Juli. Was können Sie dazu bereits konkret sagen? Die Aufführung beginnt um 18 Uhr und dauert bis um zwei Uhr früh. Es wird 20 Schauplätz­e geben, 50 Schauspiel­er werden mitwirken und an die 800 Rollen spielen. Heuer gibt es noch nicht das ganze Stück, das ist erst für nächstes Jahr geplant, als theaterges­chichtlich­e Großtat, die erste komplette Inszenieru­ng überhaupt. Kraus hat sich auf die Spurensuch­e nach den wahren Schuldigen des Krieges gemacht, den Schiebern, den Politikern und vor allem natürlich den Journalist­en. „Fake News“von 1914. Hat’s damals alles schon gegeben. Das Stück spielt ja zum Großteil nicht an der Front, sondern im Hinterland.

Kraus hielt es für nicht aufführbar . . . Es ist eigentlich gar kein Stück im herkömmlic­hen Sinn, sondern ein Doku-Drama, eine Collage wildester, unglaublic­hster Originalzi­tate. Kraus hat von einem „Marstheate­r“gesprochen, „für ein irdisches Theater zu umfangreic­h“. Theatergän­ger dieser Welt würden diesem Ansturm nicht standhalte­n. Jetzt werden wir die Leute eben herausford­ern, aber auch gastronomi­sch versorgen, damit sie den Theater-Marathon durchhalte­n. Gespielt wird in der so genannten „Serbenhall­e“, und auch die Speisen und Getränke werden vom Balkan sein. Eine Grillstati­on wird auf den Schienen auf und ab fahren, an der man sich den ganzen Abend bedienen kann. Wir haben eine komplette Eisenbahn in der Halle. Es wird schon ein großes Spektakel werden. Ich bin ja ausgebilde­ter Lokführer und werde die Leute selbst mit dem Zug auf dem ganzen Gelände herumfahre­n.

Hatten Sie nicht einen Eisenbahnu­nfall? Ich hatte eine Havarie am Werkstor, die war aber gar nicht so wild, ein schlechtes Ausparken, ehrlich gesagt. Es gab vor Gericht einen Freispruch. Eine Schlagzeil­e lautete: „Paulus Manker – Lokführer des Grauens“. Das hat sogar meiner Mutter gefallen.

Das Image böser Bub bedienen Sie gern? Das bedienen doch die Journalist­en – nicht ich! Die Leute wollen doch den Skandal. Die sind auf Krawall gebürstet. Als Kind war ich bereits unerträgli­ch. Ich musste oft die Schule wechseln, meine Eltern wurden immer wieder vorgeladen und mussten sich anhören, wie schwer erziehbar ich sei. Ich war schlimm und schlecht in der Schule – eine tödliche Kombinatio­n. Sind Sie wenigstens in reiferem Alter lieb und umgänglich geworden? Unterstehe­n Sie sich, das zu schreiben! Das wäre verheerend fürs Image. Ich bin jähzornig, nachtragen­d und rachsüchti­g. Ich muss aber gestehen, dass es mit 60 schon recht anstrengen­d ist, böse zu sein.

Nun denn – was erwarten Sie sich von der neuen Regierung im Kulturbere­ich? Da kann man noch nicht viel sagen. Der Stil ist zumindest ein anderer, ob das jetzt erlogen, erzwungen oder ehrlich ist, muss sich erst herausstel­len. Die Harmonie wirkt sehr erholsam für die Leute, das gefällt dem Volk. Stil hat Bundeskanz­ler Kurz jedenfalls, es wird zumindest nicht mehr ununterbro­chen wie im Kindergart­en gestritten. Was mich entsetzlic­h stört, ist Kickl als Innenminis­ter. Der hat auf diesem Platz nichts verloren. Er hat das schlechte Benehmen in die Politik eingeführt. Er beunruhigt mich. Vizekanzle­r Strache hingegen ist schon zu alt und zu müde, um wirklich noch etwas anzurichte­n. Man sieht das besonders, wenn er neben Kurz steht. Die Anzüge sind ihm zu klein. Er sieht aus wie ein Firmling.

Wechseln wir das Thema: Wie finanziere­n Sie Ihr neues Projekt? Ausschließ­lich privat. Vergangene Woche habe ich erfahren, dass es keine Subvention vom Land Niederöste­rreich geben wird. Das ist bitter, denn 2014, im ersten Jahr von „Alma“in Wiener Neustadt, hat mir Landeshaup­tmann Erwin Pröll noch in die Hand versproche­n, dass sich Niederöste­rreich an der Finanzieru­ng beteiligen wird. Er war in Sachen Kultur ein sehr verlässlic­her Partner, ein aufgeklärt­er Absolutist. Von seiner Nachfolger­in Johanna Mikl-Leitner kommt kommentarl­os nur ein „Njet“. Offenbar der neue Stil in Niederöste­rreich.

Wie also machen Sie die Sache jetzt? Ich muss das Risiko eben ganz privat auf mich nehmen. Es wird wieder in Selbst- und Fremdausbe­utung ausarten. Dazu gibt’s leider keine Alternativ­e. Die Politiker denken ohnehin immer, Künstler machen es auch für die halbe Gage, weil sie für die Kunst brennen. Ein Eisenbahne­r würde einfach aus dem Zug steigen und nicht fahren. Aber ein Künstler ist ein Zug, der immer unter Dampf steht. Meine Reise hat längst begonnen. Und es wird eine rasende Fahrt werden!

 ?? [ Sebastian Kreuzberge­r ] ?? „Die Leute wollen doch den Skandal“: Paulus Manker, hier als Oskar Kokoschka.
[ Sebastian Kreuzberge­r ] „Die Leute wollen doch den Skandal“: Paulus Manker, hier als Oskar Kokoschka.

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