Renzi träumt von einer Rückkehr an die Macht
Italien. Der Chef der Sozialdemokraten hofft, nach der Wahl am 4. März wieder Premier zu werden. Doch seine Partei ist zerstritten, Abspaltungen kleiner Splittergruppen sind an der Tagesordnung – und bei den Italienern ist Renzi unpopulär.
Matteo Renzi träumt. Von der Macht. Davon, dass er seine Partei neu erfinden wird. Eine Bewegung wie die, die Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten gemacht hat, so etwas stellt sich Renzi auch für sich vor. Bei der Parlamentswahl am 4. März will er mit seinem Partito Democratico 40 Prozent erreichen. Das träumt er nicht nur, das sagt er auch öffentlich. Wenn er einen bescheidenen Moment hat, spricht er auch nur von 30 Prozent. Dabei steht der Partei des 43-Jährigen aber vor allem einer im Wege: er selbst. Denn nachdem Renzi nach dem verlorenen Verfassungsreferendum vom 4. Dezember 2016 als Ministerpräsident Italiens zurückgetreten war, ist der Partito Democratico meilenweit von einer Neuerfindung entfernt. Die Zankhähne innerhalb der Partei schaffen es nicht, sich zusammenzuraufen. Ganz im Gegenteil: Die Gräben sind tiefer als je zuvor. Und ob Renzi überhaupt als Spitzenkandidat der Linken aufgestellt wird, steht derzeit in den Sternen.
Nach etwas mehr als zehn Jahren ist der Partito Democratico, der politisch am ehesten mit den Sozialdemokraten zu vergleichen ist, zerstrittener denn je. Im Oktober 2007 hatten sich Linksliberale, Ex-Kommunisten und ehemalige linke Christdemokraten zu einer neuen Partei zusammengeschlossen. Vor allem eines einte sie über ideologische Unterschiede hinweg: das gemeinsame Ziel, einen erneuten Sieg Silvio Berlusconis zu verhindern. Bei den Wahlen 2013 schaffte es die Partei dann an die Regierung – in einem Bündnis mit anderen, der PD selbst bekam nur 25 Prozent der Wählerstimmen. Ende 2013 wurde Renzi, der aus dem Lager der einstigen Christdemokraten stammt, zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Im Februar 2014 übernahm er das Amt des Ministerpräsidenten nach parteiinternen Machtkämpfen von seinem Vorgänger, Enrico Letta. Renzi führte die Partei durch einen überraschend erfolgreichen Wahlkampf zur Europawahl 2014, bei der 40 Prozent der Italiener für die Sozialdemokraten stimmten.
Diese Zahl ist es auch, die Renzi nun träumen lässt. Doch ihm droht ein jähes Erwachen: Umfragen sehen den PD bei nur noch 23 Prozent an zweiter Stelle hinter der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, die auf 27 Prozent der Stimmen kommt. Die besten Chancen auf die Regierung hat derzeit ein Mitte-rechts-Bündnis von der rechten Lega Nord und Silvio Berlusconis Forza Italia. Kopfschüttelnd schauen die Italiener derweil dem Treiben ihrer aktuellen Regierungspartei zu. Seit Spekulationen aufkamen, Renzi plane, nach der Wahl mit dem einstigen Erzfeind Berlusconi ein Regierungsbündnis einzugehen, versinkt die Partei endgültig im Chaos. Abspaltungen kleiner Splittergruppen sind an der Tagesordnung. Immer mehr Kleinstparteien bilden sich, die dem ohnehin schon schlechten Umfrageergebnis des PD weitere Prozentpunkte entreißen.
Genau ein Jahr nach dem verlorenen Verfassungsreferendum, am 4. Dezember 2017, hatte sich die Liste Liberi e Uguali (Die Freien und Gleichen) gegründet. Darin haben sich zuletzt zwei der drei von der Mutterpartei PD abgespaltenen Neuparteien vereinigt – im Kampf gegen Parteichef Renzi. Der hatte als Hoffnungsträger im Februar 2014 das Premiersamt übernommen, „verschrotten“wollte er die alten Politiker-Eliten. Doch genau diese selbstgefällige Art ist es, die vielen Parteigenossen und Wählern heute ein Dorn im Auge ist.
Dabei haben die Italiener längst einen neuen Liebling gefunden. Seit rund einem Jahr regiert Paolo Gentiloni. Heimlich, still und leise. Damit, dass der adelige Römer zum Liebling der Italiener mutieren würde, hatte wohl niemand gerechnet, allen voran Renzi nicht. 49 Prozent der Italiener sind mit der Arbeit Gentilonis zufrieden, ein Zuwachs von vier Prozentpunkten in drei Monaten. Renzi kommt derzeit nur auf 35 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung und landet damit sogar hinter dem Spitzenkandidaten der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, und Lega-Chef Matteo Salvini.
Wo sonst auf der politischen Bühne in Italien lautstark diskutiert wird, ist Gentiloni die schweigende Ausnahme. Und damit das komplette Gegenteil zu Renzi. Selbst auf Gentilonis jungem Twitter-Account ist nur selten das Wörtchen „ich“zu lesen, wenn über die Errungenschaften der Regierung berichtete wird. „Gentiloni ist die einzige gefestigte Figur auf der politischen Bühne“, sagt Soziologe Ilvo Diamanti. Auch wenn die Zustimmung zur Arbeit seiner Regierung bei etwas mehr als 40 Prozent liege, sei diese Zahl noch immer höher als zur Zeit kurz vor dem Referendum, als Renzi noch Premier war.
In Davos zeigte sich gestern Gentiloni zuversichtlich, dass populistische Parteien nicht die Parlamentswahl am 4. März gewinnen werden. „Italien wird seine politische Stabilität bewahren.“Und der Sozialdemokrat schloss aus, dass er eine Regierung mit Silvio Berlusconi bilden könnte.