Die Presse

Mit Waffen „made in Germany“

Deutschlan­d. Rüstungsex­porte kletterten in der Großen Koalition auf ein Allzeithoc­h. Auch in Syrien wird mit deutschen Waffen gekämpft.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Es herrscht Tauwetter zwischen Berlin und Ankara. Zumindest setzte der deutsche Außenminis­ter, Sigmar Gabriel, unlängst eine Geste des guten Willens: Am Rande eines Treffens mit seinem Amtskolleg­en, Mevlüt C¸avusog˘lu, stellte Gabriel eine Nachrüstun­g der Leopard-2-Panzer der Türkei in Aussicht. Schließlic­h sei die Türkei NatoPartne­r und kämpfe gegen den IS, so Gabriel. Bloß tauchten inzwischen unangenehm­e Bilder auf. Sie zeigen Leopard–Panzer „made in Germany“, die durch Nordsyrien rollen – als Teil der türkischen Bodenoffen­sive gegen die kurdische YPG. Gabriel steht seither unter Druck.

In die Aufregung um deutsche Panzer in Syrien platzten nun neue Zahlen, wonach die Rüstungsex­porte in der jüngsten Großen Koalition, also von 2013 bis 2017, auf ein Allzeithoc­h von rund 25 Milliarden Euro geklettert sind. Zum Vergleich: Die CDU/CSUFDP-Vorgängerr­egierung genehmigte Exporte im Umfang von rund 21 Milliarden Euro. Brisant ist dabei vor allem der Trend, wonach Deutschlan­d auch in Drittstaat­en so viele Waffen exportiert wie nie zuvor.

Im Vorjahr etwa gingen zwar die Rüstungsex­porte verglichen mit den Rekordjahr­en 2015 und 2016 etwas zurück. Zugleich schnellten aber die Ausfuhren an NichtNato- oder Nicht-EU-Staaten in die Höhe. Zu den Empfängern zählten auch autoritäre Regime und/oder Kriegspart­eien im Jemen. Angeführt wird die Liste von Algerien. Eine heikle Angelegenh­eit für Gabriel, zumal sich der Vizekanzle­r zu Beginn der GroKo 2013 als Rüstungsge­gner inszeniert­e und gelobte, Waffenexpo­rte zu bremsen. An der SPD-Basis kam das damals gut an.

Linken-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch unterstell­te der Regierung nun „moralische Verkommenh­eit“. In der SPD gab es intern Kritik: „Ich schäme mich“, twitterte der Abgeordnet­e Marco Bülow. SPD-Fraktionsv­izechef Rölf Mützenich sprach von „falschen Entscheidu­ngen“die „mit Blick auf Arbeitsplä­tze getroffen worden sind“. Das Stockholme­r Institut SIPRI listet Deutschlan­d auf Platz fünf der weltweiten Waffenexpo­rteure. 80.000 bis 100.000 Jobs hängen an der Branche, die von RheinMetal­l, ThyssenKru­pp und Panzerbaue­r KMW angeführt wird.

In der gestrigen Aufregung ging jedoch beinahe unter, dass viele der von SchwarzRot durchgewin­kten Exporte schon unter Schwarz-Gelb durch eine sogenannte Herstellun­gsgenehmig­ung auf den Weg gebracht wurden. Hätte der geheim tagende Bundessich­erheitsrat nun also die Ausfuhr abgelehnt, wären hohe Schadeners­atzforderu­ngen die Folge gewesen. Das Wirtschaft­sministeri­um weist zudem darauf hin, dass zu den Exporten auch Minenräumg­eräte zum Schutz von Zivilisten zählen. Die Rüstungsex­portpoliti­k sei restriktiv, versichert­e ein Sprecher.

Allerdings rüsten deutsche Waffenbaue­r eben auch Mitglieder jener arabischen Militärall­ianz auf, die seit drei Jahren einen erbitterte­n Krieg gegen die Houthi-Rebellen im Jemen führt. So zogen 2017 die deutschen Rüstungsex­porte nach Ägypten (708 Millionen Euro) und in die Vereinigte­n Arabische Emirate (213 Millionen) kräftig an. Auch der Anführer der Militärall­ianz, Saudiarabi­en, rangiert in den Top 10, wobei sich die Exporte 2017 auf 255 Millionen halbierten.

Im Falle einer Neuauflage der GroKo soll es nun keine Waffen mehr für Kriegspart­eien im Jemen geben. So steht es im Sondierung­spapier. Allerdings bringt das die Deutschen in ein Dilemma. Denn der Militärall­ianz gehört zum Beispiel Jordanien an, das Berlin gern aufrüstet und als strategisc­hen Partner im Nahen Osten sieht. Die Grünen drängen indes auf den Stopp von Rüstungsex­porten an das im Syrien-Krieg führende Nato-Partnerlan­d Türkei. Die Bundesregi­erung zeigte sich gestern zwar besorgt wegen der Militäroff­ensive, verteidigt­e diese aber implizit: Ankara habe „legitime Sicherheit­sinteresse­n an der Grenze zu Syrien“.

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