Darf nur ein Handchirurg Handsehnen operieren?
Medizin. Ein Sechzehnjähriger stimmte einer Operation an der Daumensehne zu. Der Chirurg hatte ihn über alle Folgen aufgeklärt. Aber nicht darüber, dass er keine Spezialisierung auf Handchirurgie hatte.
Bei einem Unfall durchtrennte sich ein Sechzehnjähriger die Daumenbeugesehne. Als er ins Spital kam und von dem behandelnden Arzt über die – einzige – Behandlungsmöglichkeit, nämlich eine Operation der Sehne, aufgeklärt wurde, waren seine Eltern nicht bei ihm. Sie hielten sich im Ausland auf. Dem jungen Mann erklärte der Facharzt für Unfallchirurgie auch, dass trotz Operation eine Bewegungseinschränkung die Folge dieser Verletzung sein könne. Der 16-jährige stimmte der Behandlung dennoch zu.
Nachdem die Operation erfolgt war, brachte er jedoch gegen den Unfallchirurgen und gegen die Klinik eine Klage auf Schmerzengeld und die Feststellung ein, dass beide für künftige Schäden wegen der Verletzung der Aufklärungspflichten zu haften hätten. Der Facharzt hätte nämlich verabsäumt, ihn darauf hinzuweisen, dass er keine Spezialisierung im Bereich der Handchirurgie aufweisen könne.
Weder die erste noch die zweite Instanz gaben ihm Recht. Und auch der OGH tat es nicht: Ärzte haften für die nachteiligen Folgen eines lege artis erfolgten Eingriffs nur, wenn sich der Patient – wäre er ausreichend aufgeklärt worden – gegen die Behandlung entschieden hätte.
Über typische, mit einer Operation verbundene Gefahren sei aufzuklären, auch wenn diese nicht häufig, aber speziell mit dem geplanten Eingriff verbunden sind, so der OGH (9 Ob 68/17s). Dass der Facharzt den Patienten nicht darauf hingewiesen habe, kein auf Handchirurgie spezialisierter Arzt zu sein, sei ihm aber keineswegs vorzuwerfen. Schließlich sei er ein Facharzt für Unfallchirurgie, also jener Fachrichtung, die für die Behandlung solcher Verletzungen zuständig sei.
Eltern wurden nicht verständigt
In seiner Revision an den OGH brachte der Kläger allerdings noch vor, dass überdies nicht nur er, sondern auch seine Eltern von den Ärzten aufzuklären gewesen seien. Auch das sei verabsäumt worden.
Dazu hielt der OGH fest, dass die Einwilligung in medizinische Behandlungen ein einsichts- und urteilsfähiges Kind nur selbst erteilen kann. Mit dem 14. Geburtstag gilt ein Kind als mündig minderjährig. Nur wenn es in eine Behandlung einwilligt, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist, müssen auch die Eltern zustimmen.
Ob die Eltern in diesem Fall einbezogen hätten werden müssen, damit befasste sich der OGH jedoch nicht. Der Kläger hatte nämlich verabsäumt, diese Frage schon in erster Instanz aufzuwerfen. Prozessrechtlich ist ein neues Vorbringen in der Revision aber nicht mehr zulässig. Und dass die Eltern die vorgeschlagene Behandlung abgelehnt hätten, hatte der Kläger überdies gar nie behauptet.