Die Presse

Konjunktur­belebung: Bitte Chance nicht verspielen!

Das internatio­nale Wirtschaft­swachstum gibt Zeit zum Durchatmen. Wird die Regierung die Erholungsp­hase richtig nutzen?

- VON HELMUT KRAMER

Im Wahlkampf betonten die antretende­n Parteien, dass nach Jahren der Uneinigkei­t, Streiterei und Reformstau in Österreich endlich etwas weitergehe­n müsse. Viele Wähler sahen das auch so – dachten dabei aber wohl nicht in erster Linie an das Tempo auf Autobahnen.

Die Wirtschaft hatte seit Jahren nicht so recht funktionie­rt. Die Beschäftig­ungslage hatte sich bedenklich verschlech­tert, und die Einkommen stagnierte­n. In der Welt rings um uns gingen rapide und teilweise erschrecke­nde Veränderun­gen vor sich.

Sehr gefragt wären überzeugen­de Konzepte gewesen – und sie sind es noch –, wie sich die heutige Generation und deren Kinder in einer doch eher immer unruhiger werdenden Umgebung behaupten könnten: in Bezug auf Arbeit, Bil- dung, soziale Verhältnis­se, Umwelt und Sicherheit.

Seit Kurzem hat sich daran ziemlich überrasche­nd etwas geändert: Ein schon nicht mehr erwarteter konjunktur­eller Aufschwung hat eingesetzt, in dem Österreich eine vergleichs­weise gute Figur macht. Manche Berufe werden bereits knapp. Die Exportwirt­schaft floriert, der Euro scheint stabil, selbst Griechenla­nd bekommt wieder Kredit.

Allerdings finden nicht mehr so gefragte Qualifikat­ionen, ältere Menschen (schon ab 50!) und periphere Regionen nach wie vor nur schwer Arbeit. Die Verbesseru­ng der wirtschaft­lichen Situation kommt zu rasch, als dass sie sich die neue Regierung als Verdienst auf die Fahnen schreiben könnte. Ziemlich bald wird sie das aber ganz gewiss tun.

Eine zwar immer wieder versproche­ne, aber schwer zu realisiere­nde Aufgabe („Ankurbeln des Wachstums“) wird der neuen Regierung nahezu ohne eigenen Aufwand von der Weltwirtsc­haft geschenkt. Selbst das sonst gewohnt zurückhalt­end formuliere­nde Wifo gibt der Wende zum Besseren „äußerst positiven“Ausdruck.

Kann das düstere Kapitel „Krise“, das uns ein Jahrzehnt lang beunruhigt­e, unverhofft geschlosse­n werden? Kann die Politik nun wieder in besser kartografi­erten Gewässern steuern? Nichts wäre kurzsichti­ger, als sich jetzt gelassen zurückzule­hnen.

Hier spricht nicht der obligat erhobene Zeigefinge­r eines profession­ellen Bedenkentr­ägers. Der Konjunktur­aufschwung verdeckt die noch lange nachwirken­de Hinterlass­enschaft der Krise: Langzeitar­beitslosig­keit, hohe Staatsschu­lden, die ungenügend­e Ar-

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