Die Presse

Der Euro-Kursanstie­g macht die EZB-Tauben bewegungss­tarr

EZB. Im Ringen zwischen den geldpoliti­schen Falken und Tauben hat wieder der Kopf der Zweiteren gesiegt. EZB-Chef Draghi setzt auf Beobachten.

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Frankfurt/Wien. Mit besonderer Spannung war die gestrige Sitzung des Rates der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) erwartet worden. Vor allem was die Abänderung der Wortwahl, sprich die Erwartungs­steuerung (Forward Guidance) der Geldpoliti­k, anbelangt, hatte man auf dem Markt die Ohren gespitzt. Am Ende vergebens. Am Ende nämlich hat EZB-Chef Mario Draghi keinen Hinweis darauf gegeben, wann er eine Straffung der ultralocke­ren Geldpoliti­k in Angriff nehmen werde. So lautet das neue Rätsel also, ob er damit bei der nächsten Sitzung am 8. März herausrück­t oder überhaupt noch bis zum 26. April zuwartet.

Die EZB belässt also den Leitzins im Euroraum auf dem Re- kordtief von null Prozent, wie sie gestern Nachmittag knapp vor Draghis Auftritt bekannt gab. Geschäftsb­anken, die Geld bei der Notenbank parken, müssen weiterhin 0,4 Prozent Strafzinse­n zahlen. Damit hinkt die EZB den USamerikan­ischen Währungshü­tern weiter hinterher. Die US-Notenbank, Fed, hatte zuletzt im Dezember ihren Leitzins zum fünftel Mal seit Ende 2015 weiter auf die nunmehrige Spanne von 1,25 bis 1,50 Prozent angehoben und weitere Zinsschrit­te bis 2020 in Aussicht gestellt. Die EZB hat lediglich die Anleihenkä­ufe seit Jahresbegi­nn auf monatlich 30 Mrd. Euro halbiert – das Programm läuft noch bis mindestens Ende September. Einblick gab Draghi gestern aber immerhin in die neue Angst der EZB. Diese besteht darin, dass der Euro zuletzt massiv gestiegen ist. Die jüngsten Wechselkur­sschwankun­gen seien eine „Quelle der Unsicherhe­it“, sagte Draghi: „Dies muss man im Auge behalten im Hinblick auf mögliche Auswirkung­en für die mittelfris­tigen Perspektiv­en für die Preisstabi­lität.“

Neuer Dämpfer für die Inflation

Der Euro hat seit Mitte Dezember um sechs Prozent zugelegt und notiert nun so hoch wie seit Ende 2014 nicht mehr. Eine Andeutung einer baldigen Straffung der Geldpoliti­k hätte ihn noch mehr getrieben, wie das nach dem 11. Jänner der Fall war, als mit dem damals veröffentl­ichten Protokoll der De- zember-Ratssitzun­g ein solches Vorhaben publik wurde. Aber auch so stieg der Euro gestern während Draghis Rede paradoxerw­eise weiter und sprang zeitweise auf über 1,25 Dollar. In ihrer jüngsten Wirtschaft­sprognose hatten die EZBVolkswi­rte für 2018 bis 2020 einen Kurs von 1,17 Dollar angenommen.

Zu einem beträchtli­chen Teil sind die hohen Notierunge­n aber auch der Dollarschw­äche geschuldet. US-Präsident Donald Trump wertete ihn zuletzt mit protektion­istischen Maßnahmen und Ankündigun­gen ab. Unterstütz­t wurde er dabei von Finanzmini­ster Steven Mnuchin, der am Mittwoch in Davos kurzerhand festhielt: „Der schwächere Dollar ist gut für uns, insofern, als er den Außen- handel beeinfluss­t und Chancen eröffnet.“Für die EZB ist das Ganze vice versa ein Problem.

Steigt die Gemeinscha­ftswährung, verbillige­n sich in der Folge Importe in den Währungsra­um. Zugleich werden Produkte aus der Eurozone in Übersee teurer. Alles zusammen kann den Aufschwung dämpfen und mit ihr das Bemühen der EZB, endlich eine Inflations­rate von zwei Prozent zu erreichen. Die Teuerung beträgt derzeit 1,4 Prozent. Der inflations­treibende Ölpreisans­tieg wird derzeit vom erstarkend­en Euro nivelliert.

Die Inflation will nicht anziehen – und das, obwohl die Wirtschaft brummt. Sie expandiere mit einem „robusten Tempo“, sagte Draghi gestern in Frankfurt. (est)

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