Die Presse

Österreich nähert sich dem Blackout

Energie. Die Gefahr einer Überlastun­g steige, warnt Österreich­s Netzbetrei­ber APG. In Zukunft brauche man „alle Gaskraftwe­rke“und neue Leitungen. Die Kosten explodiere­n.

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Deutschlan­ds Stromnetzb­etreiber schlagen Alarm: Landen wirklich so viele Elektroaut­os wie erwartet auf der Straße, sind Blackouts programmie­rt. Österreich braucht nicht erst auf die Ankunft der E-Autos zu warten, das einst so sichere Stromnetz plagen heute schon grundsätzl­ichere Probleme: Der rasche Ausbau von Wind- und Solaranlag­en lässt die Stromprodu­ktion im Land extrem schwanken. Die Kosten, um das Netz weiter in Balance zu halten und Blackouts zu vermeiden, steigen enorm.

Einen ersten Vorgeschma­ck auf das, was kommt, bot das vergangene Jahr. Der Jänner war trocken, kalt und finster. Der Juni trocken, heiß und windstill. Die Folge: Weder die Wasser-, Wind- noch Solarkraft­werke haben genug Strom erzeugt, um den heimischen Bedarf zu decken. An 301 Tagen musste der Übertragun­gsnetzbetr­eiber APG eingreifen, um das Netz zu stabilisie­ren. Erst der Einsatz aller thermische­n Kraftwerke im Land und massive Importe konnten eine Überlastun­g verhindern. Die Kosten für diese Ausgleichs­maßnahmen kletterten auf 300 Millionen Euro. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren gab die APG zur Ausbalanci­erung des Netzes nur 1,1 Millionen Euro aus. Entspreche­nd stark stiegen in den letzten Jahren die Netzkosten für die Verbrauche­r. Auch für heuer erwartet APG-Chefin Ulrike Baumgartne­r-Gabitzer angesichts des „ungezügelt­en Ausbaus“der Erneuerbar­en „keinen großen Einbruch bei den Kosten“.

Nichts zu tun, sei aber auch keine Option, mahnt Stephan Schwarzer, Leiter der Abteilung Umwelt- und Energiepol­itik in der WKÖ. Laut einer Studie des Energieins­tituts der Johannes-Kepler-Universitä­t verursacht jede Stunde ohne Strom 92 Mio. Euro Schaden für die heimische Volkswirts­chaft. Ein ganzer Tag im Blackout koste das Land rund eine Milliarde. „Es ist ein Trugschlus­s zu glauben, dass uns die Erneuerbar­en Engpässe ersparen werden“, sagt er. „Wenn die Dunkelflau­te ausbricht, helfen uns nur thermische Kraftwerke.“

Derzeit teilen sich fünf heimische Stromverso­rger den lukrativen Markt mit der Ausgleichs­energie. Das Problem: Außerhalb der kurzen Einsatzzei­ten für die APG verdienen die Gaskraftwe­rke kaum Geld. Immer wieder drohen Unternehme­n wie Verbund oder Wien Energie darum, ihre Gaskraftwe­rke stillzuleg­en. Für die APG ist das ein Horrorszen­ario. „Wir brauchen alle Gaskraftwe­rke“, sagt Ulrike Baumgartne­r-Gabitzer. Am liebsten hätte sie ein Vetorecht, wenn sich Betreiber entschließ­en, Kraftwerke zu schließen. „Aber das bekomme ich nicht.“So baut sie auf langfristi­gere Verträge mit den Versorgern.

Der billigste Weg, um die Energiewen­de zu ermögliche­n, sei ohnedies der Netzausbau. Könnte Österreich endlich seine Windenergi­e aus dem Osten zu den Pumpspeich­ern im Westen transporti­eren, wäre ein Gutteil des Problems gelöst. Allein, die angesproch­ene Salzburgle­itung wird nun seit vielen Jahren geplant, begutachte­t, genehmigt – und verschlepp­t. Am Zug ist das Bundesverw­altungsger­icht. Die Chance, das Projekt ohne weitere Störaktion­en voranzubri­ngen, ist klein, denn es herrscht Wahlkampf in Salzburg. Für Baumgartne­r-Gabitzer ein unerträgli­cher Zustand: „Wir können nicht länger davon abhängig sein, ob es gerade Landtagswa­hlen gibt oder nicht.“(auer)

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