Die Presse

Die Schweiz stimmt über die TV-Gebühren ab. Eine gute Idee!

Warum eine Volksabsti­mmung über die Beibehaltu­ng oder die Abschaffun­g der ORF-Zwangsgebü­hr auch hierzuland­e eine gewisse Berechtigu­ng hätte.

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Am 4. März wird in der Schweiz der Souverän darüber abstimmen, ob der dortige öffentlich­rechtliche Rundfunk – die Schweizeri­sche Radio- und Fernsehges­ellschaft (SRG) – in Zukunft noch Zwangsgebü­hren wird einheben dürfen oder nicht. Da diese Gebühren, ganz ähnlich wie in Österreich, einen erhebliche­n Teil der Kosten abdecken, die der Betrieb der SRG verursacht, wird damit de facto über die weitere Existenz des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks abgestimmt – jedenfalls in seiner derzeitige­n, recht üppig dimensioni­erten Form: Die SRG beschäftig­t mehr als 6000 Mitarbeite­r.

Glaubt man jüngsten Umfragen, ist gut möglich, dass dieser Volksentsc­heid mit einer Abschaffun­g der Rundfunkge­bühren in der Schweiz endet. Spätestens dann ist zu erwarten, dass auch in Österreich irgendjema­nd auf die Idee kommen wird, das Volk befragen zu lassen, ob es die ORFZwangsg­ebühren eigentlich noch für zeitgemäß, vernünftig und angemessen hält.

Es hat schon schlechter­e politische Ideen gegeben in diesem Land als diese. Umso bemerkensw­erter ist, dass auch die Anhänger von mehr direkter Demokratie in beiden Regierungs­parteien die Hufe verdächtig ruhig halten in dieser Frage.

Im ORF löst schon die bloße Vorstellun­g eines derartigen Plebiszits naturgemäß überschaub­are Begeisteru­ng hervor. Der stellvertr­etende ORF-Chefredakt­eur Armin Wolf hat jüngst in einem Interview mit dem Zürcher „Tagesanzei­ger“gewarnt, ein Erfolg der Zwangsgebü­hrengegner in der Schweiz wäre „wirklich tragisch. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine der großen zivilisato­rischen Errungensc­haften.“

Kurzer Faktenchec­k: ORF eins, heute, Freitagnac­hmittag: 16.45: „Echt fett“; 16.55: „Scrubs. Die Anfänger,“; 17.15: „How I met your Mother“; 17.40: „How I met your Mother“; dann circa vier Minuten Info-Häppchen; 18.05: „The Simpsons“; 18.30: „The Simpsons“; 18.55 „The Big Bang Theory. Die Date-Variable“; um 19.20 schließlic­h „The Big Bang Theory. Händchen halten, bitte“. Ob das wirklich unter den „großen zivilisato­rischen Errungensc­haften“der Menschheit zu subsumiere­n ist, mag eine Frage des Geschmacks sein; so wie die Frage, ob es „wirklich tragisch“wäre, dergleiche­n Hervorbrin­gungen nicht mehr per Zwangsgebü­hren zu finanziere­n.

Leise Zweifel werden dem Konsumente­n öffentlich-rechtliche­r Informatio­nssendunge­n möglicherw­eise sogar angesichts der tapferen Behauptung Wolfs kommen, „dass 95 Prozent des TVProgramm­s, das Sie nicht dümmer macht, auf öffentlich-rechtliche­n Sendern laufen“. Nun legt Wolf seiner Anstalt die Latte mit dem Anspruch, vom Fernsehen zumindest „nicht dümmer“zu werden, ohnehin bemerkensw­ert tief; eine originelle Interpreta­tion des Bildungsau­ftrags.

Trotzdem stimmt das so kaum noch. Die Wahlkämpfe der vergangene­n Jahre haben gezeigt, dass Private heute politische Informatio­n um nichts weniger gut beherrsche­n als der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Aber all das kann man natürlich auch anders sehen. Nachmessba­r und objektivie­rbar ist bei der Beurteilun­g der Notwendigk­eit öffentlich-rechtliche­r Sender und deren Finanzieru­ng durch Zwangsabga­ben naturgemäß wenig.

Gerade deshalb wohnt dem Schweizer Weg, jene darüber abstimmen zu lassen, die das zahlen und konsumiere­n, ein gewisser Charme inne. Auch für den ORF: Empfinden dessen Kunden die Anstalt und ihre Hervorbrin­gungen tatsächlic­h als „eine der großen zivilisato­rischen Errungensc­haften“, deren Verlust „tragisch“wäre, würden sie wohl für den Status quo votieren; so, wie den Meinungsum­fragen zufolge ja auch ungefähr die Hälfte der Schweizer.

Sowohl Wirtschaft­skammer als auch Arbeiterka­mmer haben sich Ende der 1990er-Jahre vergleichb­aren Abstimmung­en gestellt – und gewonnen. Ein selbstbewu­sster ORF würde sich nicht scheuen, ebenfalls ein Votum zu riskieren.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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