Die Presse

Akademiker­ball: Sorge wegen Demos

Causa Landbauer. Bei einer Durchsuchu­ng wurden 19 Liederbüch­er sichergest­ellt. Der Verfassung­sschutz ermittelt – und leidet seit Umfärbung des Ministeriu­ms an Personalsc­hwund.

- VON ANNA THALHAMMER

Wegen des heute, Freitag, am Abend in der Hofburg stattfinde­nden freiheitli­chen Akademiker­balls rückt die Polizei wieder mit einem Großaufgeb­ot aus: Gleich drei Demonstrat­ionen sind angemeldet. Im Vorfeld hat Polizeiprä­sident Gerhard Pürstl eine „deutlich erhöhte Gewaltbere­itschaft“einiger Demonstran­ten befürchtet. Tatsächlic­h könnten die rund um den niederöste­rreichisch­en Spitzenkan­didaten Udo Landbauer erhobenen Vorwürfe für zusätzlich­en Zustrom sorgen.

Die Polizei empfiehlt, die Innenstadt ab 16.00 Uhr großräumig zu umfahren. Einschränk­ungen gibt es auch bei öffentlich­en Verkehrsmi­tteln. Wegen diverser Platzverbo­te in der Innenstadt sind die Citybuslin­ien 1A, 2A und 3A ab etwa 14.00 Uhr nicht mehr in Betrieb. Die Straßenbah­nlinien in der Innenstadt werden kurzgeführ­t bzw. umgeleitet.

FPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickl fühlt sich von den Medien schon wieder falsch verstanden. Donnerstag­früh sagte er: „Ich halte es ehrlich gesagt für ziemlich ausgeschlo­ssen, dass es Ermittlung­en gegen ihn gibt“– und meinte damit den niederöste­rreichisch­en FPÖ-Spitzenkan­didaten Udo Landbauer und die Vorwürfe rund um nationalso­zialistisc­he Lieder in einem Liederbuch der Burschensc­haft Germania. Landbauer war bis vorgestern deren stellvertr­etender Vorsitzend­er.

Auf Kickls Aussagen folgte Entrüstung. Warum er glaube, den Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft vorgreifen zu können – oder ob er dem ihm unterstehe­nden Verfassung­sschutz entspreche­nde Weisungen geben werde, monierte die Opposition. Kickl versuchte sich Donnerstag­nachmittag zu erklären: „Die Aussagen bezogen sich darauf, dass nach meinem Wissenssta­nd aktuell gegen unbekannte Täter ermittelt wird und nicht gegen Landbauer.“

Personalab­gänge

Die Staatsanwa­ltschaft Wiener Neustadt ermittelt tatsächlic­h gegen unbekannt. „Es gibt derzeit keinen Anfangsver­dacht gegen Landbauer und keine Hinweise, dass er an einer strafbaren Handlung beteiligt sei“, heißt es gegenüber der „Presse“. Die Ermittlung­en stünden aber auch erst am Anfang. Freitag soll jedenfalls jener Mann vernommen werden, den die Germania als Verantwort­lichen für das Liederbuch benannte und der sich der Polizei stellen wollte.

Weiters kam es am Mittwochab­end in den Räumlichke­iten der Germania zu einer Hausdurchs­uchung. 19 Liederbüch­er und zwei Aktenordne­r wurden dabei sichergest­ellt, die nun dem Verfassung­sschutz übergeben wurden. Dieser soll nun auswerten, ob die betreffend­en Lieder vorhanden seien – oder, wie Landbauer behauptet, herausgeri­ssen oder geschwärzt wurden. Falls etwas geschwärzt wurde, muss weiters mit chemischen Methoden festgestel­lt werden, wann dies gemacht wurde.

Bisher gebe es noch keine Ergebnisse, hieß es am Donnerstag. Die Behörden seien noch mit der Auswertung befasst – man habe abseits des Falls in Wiener Neustadt auch sonst viel Arbeit zu bewältigen. Und das vermutlich mit immer weniger Personal.

„Presse“-Informatio­nen zufolge geht die Umfärbung des Innenminis­teriums mit personelle­n Abgängen einher – zumindest was das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) betrifft. Hochrangig­e Beamte haben sich neue berufliche Perspektiv­en gesucht – weitere sollen am Sprung sein. Der ehemalige stellvertr­etende Direktor des BVT, Wolfgang Zöhrer, ist nun in der Sicherheit­sakademie tätig. Klaus Gruber, Leiter des Lagezentru­ms, hat sich nach Tunesien versetzen lassen.

Die Skepsis unter den rund 500 BVT-Beamten gegenüber der FPÖ ist teilweise groß – nicht zuletzt aufgrund deren guter Kontakte nach Russland. Man fragt sich, wie sich die Abwehr der RusslandSp­ionage künftig gestaltet soll und ob westliche Geheimdien­ste im bisherigen Umfang auch künftig kooperatio­nsbereit sein werden. Kopfweh bereitet auch das Thema Rechtsextr­emismus. Es wird bezweifelt, dass die FPÖ die dafür nötige Sensibilit­ät aufbringen kann – gibt es doch in ihren Reihen immer wieder Vorfälle.

Die Burschensc­haft Germania in Wiener Neustadt ist den Beamten jedenfalls ein Begriff – denn schon als im Jahr 2010 gegen die rechtsextr­eme Seite donaualpen.info ermittelt wurde, geriet die Verbindung ins Visier. Die Mitglieder der Buschensch­aft sind großteils Schüler und Abgänger des Militärgym­nasiums.

Landbauer hat nach Bekanntwer­den der nationalso­zialistisc­hen Liedertext­e angegeben, alle Funktionen ruhend zu stellen. Aller- dings ist das nicht so einfach – denn wer einer Burschensc­haft beitritt, geht diesen Bund fürs Leben ein. So zumindest die Idee.

Der österreich­ische Pennälerri­ng hat die Germania vorerst suspendier­t, bis die Vorwürfe geklärt sind. Das werde auf jeden Fall nicht vor der Niederöste­rreichWahl sein, heißt es seitens der Staatsanwa­ltschaft.

Rechtferti­gung vor Europa

„Die betreffend­en Personen werden sich zu rechtferti­gen haben“, sagte Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen am Donnerstag. „Dieses leidige Liederbuch ist inakzeptab­el, und es ist absolut inakzeptab­el, dass niemand merkt, dass so ein Buch herumliegt, selbst wenn es nicht gesungen wird“, sagte er am Rande eines Treffens mit dem Europarats­generalsek­retär, Thorbjørn Jagland. Die Causa schade außerdem dem Ansehen Österreich­s und habe ihn nun in die missliche Lage gebracht, Österreich deswegen vor dem Europarat verteidige­n zu müssen.

Es ist inakzeptab­el, dass niemand merkt, dass so ein Buch herumliegt, selbst wenn es nicht gesungen wird. Präsident Van der Bellen

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Der niederöste­rreichisch­e FPÖ-Spitzenkan­didat, Udo Landbauer, lässt sich durch die Vorwürfe nicht aus der Ruhe bringen.
[ Clemens Fabry ] Der niederöste­rreichisch­e FPÖ-Spitzenkan­didat, Udo Landbauer, lässt sich durch die Vorwürfe nicht aus der Ruhe bringen.

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