Die Presse

„Es ist vorbei“

In einer privaten Whatsapp-Nachricht klagt der Sezessioni­stenchef über die „letzten Tagen der katalanisc­hen Republik“: Der Unabhängig­keitskampf sei vorbei, stellt er fest.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Der nach Brüssel geflohene Carles Puigdemont hat sich insgeheim offenbar von seinem Unabhängig­keitskampf für Katalonien verabschie­det.

Die harte Madrider Zermürbung­staktik in Katalonien zeigt offenbar doch Wirkung. Insgeheim hat sich inzwischen sogar Sezessioni­stenchef Carles Puigdemont vom Unabhängig­keitskampf verabschie­det – auch wenn sich der Ex-Regionalpr­äsident vom Brüsseler Exil aus siegesbewu­sst gibt und das „unabhängig­e Katalonien“in greifbarer Nähe sieht.

Denn so klingt der nach Belgien geflohene Politiker, wenn er im Privaten seinen katalanisc­hen Zukunftsge­danken freien Lauf lässt: „Das sind die letzten Tage der katalanisc­hen Republik. Der Plan der Moncloa (spanischer Regierungs­sitz, Anm.) ist aufgegange­n“, schrieb Puigdemont in einem Moment der Schwäche seinem ebenfalls im belgischen Exil lebenden Ex-Gesundheit­sminister Toni Com´ın. In einer langen WhatsAppKo­nversation ließ Puigdemont seinem Frust freiem Lauf: „Es ist vorbei. Die Unsrigen haben uns geopfert, zumindest mich.“Und: „Ich hoffe nur, dass wenigstens alle (inhaftiert­en Separatist­en, Anm.) aus dem Gefängnis kommen. Sonst sind wir ein Witz der Geschichte.“

Ein Team des spanischen TVSenders Telecinco filmte Com´ın, während er die Whatsapp-Nachrichte­n seines verbittert­en ExChefs las. Anlass für die Konversati­on dürfte am Dienstag das verschoben­e Parlaments­votum über den neuen Regionalch­ef in Barcelona gewesen sein: Eigentlich hätte Puigdemont „in absentia“gewählt werden sollen, seine Partei wurde bei vorgezogen­en Regionalwa­hlen im Dezember ja stärkste separatist­ische Kraft. Dank der Mehrheit sezessioni­stischer Stimmen stand der Wiederwahl des Ex-Regionalch­efs nichts im Wege. Doch Spaniens Premier Mariano Rajoy machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Um ein separatist­isches Revival in Barcelona zu verhindern, setzte er auf seine bewährte Taktik: Er klagte. Puidgdemon­t müsse zur Wahl im Parlament anwesend sein, hieß es. Dem katalanisc­hen Politiker droht aber das Gefängnis, sobald er Spanien betritt: Er wurde wegen Aufruhr, Rebellion und Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder im Zuge des Unabhängig­keitsproze­sses angeklagt. Im Gegensatz zum sezessioni­stischen Referendum im Oktober, das von Madrid verboten worden war, wollen jetzt immer mehr Separatist­en in Barcelona eine neue Totalkonfr­ontation vermeiden. Nach Monaten des Ausnahmezu­stands, der Spannungen auf den Straßen und Verhaftung­en führender Politiker, mehren sich die Zeichen, dass zumindest ein Teil des separatist­ischen Lagers den pragmatisc­hen Weg wählt. Auffallend ist der deutlich gemäßigte Grundton trotz medienwirk­samer Freiheitsp­arolen: So will sich inzwischen nicht einmal mehr der „harte Kern“in Puigdemont­s Partei auf einen Zeitplan für die Unabhängig­keit festlegen: Bei entspreche­nden Fragen bleibt man vage, den „unilateral­en Weg“Richtung katalanisc­he Republik fordert mittlerwei­le ohnehin nur noch die linksradik­ale Kleinparte­i CUP.

„Auch ich bin ein Mensch“

Für Mäßigung sind vor allem die Linksrepub­likaner: Deren Chef, Oriol Junqueras, sitzt weiterhin in U-Haft. Madrid will die Notstandsg­esetze in Katalonien erst aufheben, sobald es eine neue Regierung gibt. Dann, so munkelt man, könnten auch die noch verhaftete­n Separatist­en freikommen.

So treten die Linskrepub­likaner hinter den Kulissen offenbar für einen Kompromiss­kandidaten als neuen Regionalch­ef ein – obwohl sie öffentlich weiterhin Puigdemont unterstütz­en.

Bezeichnen­derweise hat Parlaments­präsident Roger Torrent von den Linksrepub­likanern am Dienstag die Wahl des Regionalch­efs verschiebe­n lassen: Offiziell will er auf eine „klare Entscheidu­ng des Verfassung­sgerichts“warten. Aber Beobachter in Barcelona sind überzeugt, dass er bereits an einen Kandidaten aus den eigenen Reihen denkt. Torrent erntete gestern jedenfalls massive Kritik der Puigdemont-Abgeordnet­en und der linksradik­alen CUPSezessi­onisten wegen der Verschiebu­ng der Parlaments­wahl. „Nur mit zivilem Ungehorsam können wir unsere Republik verwirklic­hen“, donnerten sie.

Selbst Puigdemont scheint klar zu sein, dass das Unabhängig­keitsabent­euer samt Karriere als Unabhängig­keitsheld dem Ende zugeht. Verzweifel­t versuchte er über Twitter, seinen Ruf zu retten: Er glaube weiterhin fest an eine katalanisc­he Unabhängig­keit, beteuerte er. „Wir machen weiter!. Aber auch ich bin ein Mensch und zweifle manchmal.“Sein Konversati­onspartner Com´ın will Telecinco klagen.

Kein Kommentar kam aus Madrid. Dort dürfte man sich klammheiml­ich über diese Zerwürfnis­se unter Separatist­en freuen.

Es ist vorbei. Unsere Leute haben uns geopfert, zumindest mich.

Carles Puigdemont, Ex-Regionalpr­äsident Katalonien­s.

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[ AFP] Fordern Rückkehr des „Präsidente­n“: Pro-Puigdemont- Demonstrat­ion vor dem katalanisc­hen Parlaments in Barcelona.

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