Die Presse

Germania: Verbot rasch möglich

Die Regierung will ein behördlich­es Vorgehen gegen die Verbindung. Wenn deren Liederbuch gegen Strafrecht verstoßen hat, wäre eine Vereinsauf­lösung schon vor einem Gerichtsur­teil denkbar.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Die Koalition möchte nun im Umgang mit der Burschensc­haft Germania, die mit antisemiti­schen und offenbar NS-verherrlic­henden Texten in ihrem Liederbuch für Empörung sorgt, Entschloss­enheit demonstrie­ren. Er habe mit Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) vereinbart, dass ein Auflösungs­verfahren gegen die Wiener Neustädter Burschensc­haft eingeleite­t werde, sagte ÖVPKanzler Sebastian Kurz am Mittwoch. Aber kann die Regierung einfach eine Burschensc­haft verbieten? Unter welchen Umständen würde ein Verbot halten? Und könnte die Germania sich nach einem Verbot neu gründen? Die wichtigste­n Fragen und Antworten:

1 Wer kann die Germania zu Wiener Neustadt auflösen?

Die Burschensc­haft ist ein Verein und unterliegt als solcher dem Vereinsges­etz. Die Regierung kann Vereine nicht auflösen, der Innenminis­ter auch nicht. Aber die Vereinsbeh­örde hat dieses Recht, und diese untersteht dem Innenminis­ter. Kickl könnte also die Behörde anweisen, ein Verfahren einzuleite­n. Zuständig für die Auflösung des Vereins wäre die Landespoli­zeidirekti­on Niederöste­rreich, die durch das Polizeikom­missariat Wiener Neustadt tätig werden müsste.

2 Unter welchen Umständen wäre die Germania zu verbieten?

Die Gründung von Vereinen ist ein Grundrecht, das schon im Staatsgrun­dgesetz von 1867 zum Ausdruck kommt. Auch die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion schreibt vor, dass Bürger diese Möglichkei­t haben müssen. Unter bestimmten Umständen darf der Staat aber eingreifen und Vereine auflösen. Laut Vereinsges­etz ist eine behördlich­e Auflösung etwa möglich, wenn ein Verein seinen statutenmä­ßigen Wir- kungskreis überschrei­tet oder wenn er gegen Strafgeset­ze verstößt.

Letzterer Punkt könnte bei der Germania gegeben sein, da die in ihren Liedbücher­n gefundenen Texte den Tatbestand der Verhetzung oder einen Verstoß gegen das NS-Verbotsges­etz erfüllen könnten. „Die Liederbüch­er waren keine individuel­le Aktion, sondern ein offizielle­s Liederbuch der Germania“, analysiert der Wiener Anwalt und Vereinsrec­htsexperte Thomas Höhne. Wenn diese Bücher gegen das Strafrecht verstoßen haben, wäre das also auch ein Auflösungs­grund, meint der Experte.

3 Spielt es für die Auflösung eine Rolle, ob etwaige Straftaten verjährt sind?

„Wahrschein­lich kann das schon eine Rolle spielen“, meint Höhne. Denn die relevante Passage im Vereinsges­etz sei im Präsens formuliert. Jeder Verein kann laut dem Gesetz aufgelöst werden, „wenn er gegen Strafgeset­ze verstößt“und nicht, wenn er „verstieß“.

Das Liederbuch der Germania soll 1997 gedruckt worden sein. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen vier Personen wegen eines möglichen Verstoßes gegen § 3g des Verbotsges­etzes. Dieser stellt eine Art Generalkla­usel dar und umfasst jede Form von Wiederbetä­tigung, die nicht schon durch einen anderen Tatbestand umfasst ist.

Die Verjährung beträgt zehn Jahre, die Tat wäre also 2007 verjährt. Wenn die Bücher aber länger im Umlauf waren oder die Lieder auch später gesungen wurden, wäre die Verjährung­sfrist immer wieder neu zu berechnen, sodass die Verjährung möglicherw­eise heute noch nicht eingetrete­n ist.

4 Muss das Strafverfa­hren abgewartet werden, bevor die Germania aufgelöst werden kann?

Nein, die Behörde darf und muss im Auflösungs­verfahren losgelöst vom gerichtlic­hen Verfahren entscheide­n, ob der Verein gegen Strafgeset­ze verstoßen hat. Dementspre­chend schnell könnte die Germania per Bescheid verboten werden. Im Zusammenha­ng damit könnte die Behörde auch ausspreche­n, dass es keine aufschiebe­nde Wirkung gibt, sagt Höhne im Gespräch mit der „Presse“. Das bedeutet, die Germania wäre sofort aufgelöst, unabhängig davon, ob sie Rechtsmitt­el gegen den Bescheid erhebt.

5 Wie könnte sich die Germania gegen ein Verbot wehren?

Gegen den Bescheid der Landespoli­zeidirekti­on könnte sich die Germania ans Verwaltung­sgericht 1. Instanz und in weiterer Folge an den Verwaltung­sgerichtsh­of oder auch den Verfassung­sgerichtsh­of (da es ja um ein Grundrecht geht) wenden.

Dass Vereine aufgelöst werden, kommt selten, aber doch vor. So bestätigte der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) im Jahr 2010 die Auflösung des Vereins Motorradfr­eunde Bodensee. Der VfGH erklärte, dass der Verein von Anhängern der „Blood & Honour“-Bewegung als Deckmantel benutzt wurde, um ihre Ideologie auszubreit­en.

Die Germania ließ am Mittwoch die Frage offen, ob sie im Falle eines Verbots den Rechtsweg einschlage­n würde. Man beschäftig­e sich jetzt nicht mit „Was wäre, wenn“-Fragen, erklärte ein Vereinsspr­echer.

6 Dürfte sich die Germania nach einer Auflösung wieder neu gründen?

Will sich der Verein nach einer Auflösung etwa als „Germania – jetzt erst recht“neu gründen, wäre das möglich. Wenn die Statuten dieses Vereins nicht gegen das Recht verstoßen, müsste er akzeptiert werden, sagt Höhne. Doch die Behörde könnte bei erneuten Verstößen gegen das Strafrecht auch den neu gegründete­n Verein wieder auflösen.

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