Germania: Verbot rasch möglich
Die Regierung will ein behördliches Vorgehen gegen die Verbindung. Wenn deren Liederbuch gegen Strafrecht verstoßen hat, wäre eine Vereinsauflösung schon vor einem Gerichtsurteil denkbar.
Wien. Die Koalition möchte nun im Umgang mit der Burschenschaft Germania, die mit antisemitischen und offenbar NS-verherrlichenden Texten in ihrem Liederbuch für Empörung sorgt, Entschlossenheit demonstrieren. Er habe mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vereinbart, dass ein Auflösungsverfahren gegen die Wiener Neustädter Burschenschaft eingeleitet werde, sagte ÖVPKanzler Sebastian Kurz am Mittwoch. Aber kann die Regierung einfach eine Burschenschaft verbieten? Unter welchen Umständen würde ein Verbot halten? Und könnte die Germania sich nach einem Verbot neu gründen? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
1 Wer kann die Germania zu Wiener Neustadt auflösen?
Die Burschenschaft ist ein Verein und unterliegt als solcher dem Vereinsgesetz. Die Regierung kann Vereine nicht auflösen, der Innenminister auch nicht. Aber die Vereinsbehörde hat dieses Recht, und diese untersteht dem Innenminister. Kickl könnte also die Behörde anweisen, ein Verfahren einzuleiten. Zuständig für die Auflösung des Vereins wäre die Landespolizeidirektion Niederösterreich, die durch das Polizeikommissariat Wiener Neustadt tätig werden müsste.
2 Unter welchen Umständen wäre die Germania zu verbieten?
Die Gründung von Vereinen ist ein Grundrecht, das schon im Staatsgrundgesetz von 1867 zum Ausdruck kommt. Auch die Europäische Menschenrechtskonvention schreibt vor, dass Bürger diese Möglichkeit haben müssen. Unter bestimmten Umständen darf der Staat aber eingreifen und Vereine auflösen. Laut Vereinsgesetz ist eine behördliche Auflösung etwa möglich, wenn ein Verein seinen statutenmäßigen Wir- kungskreis überschreitet oder wenn er gegen Strafgesetze verstößt.
Letzterer Punkt könnte bei der Germania gegeben sein, da die in ihren Liedbüchern gefundenen Texte den Tatbestand der Verhetzung oder einen Verstoß gegen das NS-Verbotsgesetz erfüllen könnten. „Die Liederbücher waren keine individuelle Aktion, sondern ein offizielles Liederbuch der Germania“, analysiert der Wiener Anwalt und Vereinsrechtsexperte Thomas Höhne. Wenn diese Bücher gegen das Strafrecht verstoßen haben, wäre das also auch ein Auflösungsgrund, meint der Experte.
3 Spielt es für die Auflösung eine Rolle, ob etwaige Straftaten verjährt sind?
„Wahrscheinlich kann das schon eine Rolle spielen“, meint Höhne. Denn die relevante Passage im Vereinsgesetz sei im Präsens formuliert. Jeder Verein kann laut dem Gesetz aufgelöst werden, „wenn er gegen Strafgesetze verstößt“und nicht, wenn er „verstieß“.
Das Liederbuch der Germania soll 1997 gedruckt worden sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen vier Personen wegen eines möglichen Verstoßes gegen § 3g des Verbotsgesetzes. Dieser stellt eine Art Generalklausel dar und umfasst jede Form von Wiederbetätigung, die nicht schon durch einen anderen Tatbestand umfasst ist.
Die Verjährung beträgt zehn Jahre, die Tat wäre also 2007 verjährt. Wenn die Bücher aber länger im Umlauf waren oder die Lieder auch später gesungen wurden, wäre die Verjährungsfrist immer wieder neu zu berechnen, sodass die Verjährung möglicherweise heute noch nicht eingetreten ist.
4 Muss das Strafverfahren abgewartet werden, bevor die Germania aufgelöst werden kann?
Nein, die Behörde darf und muss im Auflösungsverfahren losgelöst vom gerichtlichen Verfahren entscheiden, ob der Verein gegen Strafgesetze verstoßen hat. Dementsprechend schnell könnte die Germania per Bescheid verboten werden. Im Zusammenhang damit könnte die Behörde auch aussprechen, dass es keine aufschiebende Wirkung gibt, sagt Höhne im Gespräch mit der „Presse“. Das bedeutet, die Germania wäre sofort aufgelöst, unabhängig davon, ob sie Rechtsmittel gegen den Bescheid erhebt.
5 Wie könnte sich die Germania gegen ein Verbot wehren?
Gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion könnte sich die Germania ans Verwaltungsgericht 1. Instanz und in weiterer Folge an den Verwaltungsgerichtshof oder auch den Verfassungsgerichtshof (da es ja um ein Grundrecht geht) wenden.
Dass Vereine aufgelöst werden, kommt selten, aber doch vor. So bestätigte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) im Jahr 2010 die Auflösung des Vereins Motorradfreunde Bodensee. Der VfGH erklärte, dass der Verein von Anhängern der „Blood & Honour“-Bewegung als Deckmantel benutzt wurde, um ihre Ideologie auszubreiten.
Die Germania ließ am Mittwoch die Frage offen, ob sie im Falle eines Verbots den Rechtsweg einschlagen würde. Man beschäftige sich jetzt nicht mit „Was wäre, wenn“-Fragen, erklärte ein Vereinssprecher.
6 Dürfte sich die Germania nach einer Auflösung wieder neu gründen?
Will sich der Verein nach einer Auflösung etwa als „Germania – jetzt erst recht“neu gründen, wäre das möglich. Wenn die Statuten dieses Vereins nicht gegen das Recht verstoßen, müsste er akzeptiert werden, sagt Höhne. Doch die Behörde könnte bei erneuten Verstößen gegen das Strafrecht auch den neu gegründeten Verein wieder auflösen.