Trumps Einheitsappell verpufft
USA. Der Präsident wirbt bei seiner Rede zur Lage der Nation für Kompromisse in der Einwanderungsfrage, stellt jedoch Forderungen, die die Demokraten längst abgelehnt haben.
Donald Trumps erste Rede zur Lage der Nation ist noch keine fünf Minuten alt, als zum ersten Mal jenes magische Wort fällt, das der US-Präsident an diesem Abend in Washington besonders herausstreichen will: „zusammen.“Die Politiker müssten an einem Strang ziehen, um die Probleme des Landes zu lösen, sagt er. „Zusammen können wir absolut alles erreichen.“Ist Trump, der Spalter, plötzlich zum Versöhner geworden? Die Antwort gibt der 71-Jährige im Verlauf seiner 80-minütigen Rede selbst: Nein. Trumps Vorstellung von Gemeinsamkeit läuft darauf hinaus, dass seine Gegner seinen Plänen zustimmen.
Die Rede zur Lage der Nation ist traditionell eine Gelegenheit, die Einheit der Nation und die gemeinsamen Interessen der Amerikaner zu beschwören. Trump bemüht sich zumindest in einigen Passagen der Rede um Konsens und Ausgleich. „Dies ist unser neuer amerikanischer Moment“, sagt er. „Es gab nie eine bessere Zeit, den amerikanischen Traum zu leben.“Er ruft Republikaner und Demokraten auf, ihre Differenzen zurückzustellen. „Lasst uns zusammenkommen, die Politik beiseiteschieben und die Sache endlich regeln“, sagt er über die Einwanderungspolitik. Vom Kongress verlangt er 1,5 Billionen Dollar, um die Infrastruktur zu modernisieren.
Trumps Republikaner jubeln nach fast jedem Satz des Präsidenten, doch die oppositionellen Demokraten sitzen meistens mit versteinerten Gesichtern da. In ihren Reihen regt sich nur selten eine Hand, um dem Präsidenten Applaus zu spenden.
Was ist schiefgegangen? Trump ist dafür bekannt, dass er öfter mal rhetorisch aus der Hüfte schießt oder unüberlegt twittert. Dies sollte ihm bei der Rede in der Nacht zum Mittwoch nicht passieren. Wochenlang hat sich der Präsident mit seinen engsten Beratern auf die Ansprache im Kongress vorbereitet. Daran kann es also nicht gelegen haben, dass Trumps Angebote an die Opposition in der Rede kein politisches Streitthema in Washington weiterbringen. Der Präsident wiederholt lediglich einen Vorschlag, den die Gegenseite längst abgelehnt hat: Im Gegenzug für Milliardensummen für den Bau seiner Mauer an der Grenze zu Mexiko will Trump die Einbürgerung der so genannten „Dreamer“ermöglichen – Einwanderer, die als Kinder ohne gültige Papiere in die USA kamen. Gibt es keine Einigung, sollen die „Dreamer“ab März abgeschoben werden.
„Auch Amerikaner sind Dreamer“, sagt er. Den Demokraten signalisiert die Formulierung, dass sie keine neuen Kompromisse von Trump zu erwarten haben. Schon in der kommenden Woche droht wegen des Streits die nächste Haushaltssperre.
Überhaupt tritt der Präsident trotz aller Bekenntnisse zur überparteilichen Zusammenarbeit sehr selbstgerecht auf. Auch nimmt er es mit den Fakten nicht immer sehr genau. So behauptet er, unter seiner Regierung gehe es mit Löhnen und Gehältern erstmals wieder nach oben – der Trend begann aber schon im Jahr 2014, wie die „Washington Post“anmerkt. Auch Trumps Begründung für seinen Plan, das Straflager Guantanamo´ auf Kuba weiter betreiben zu lassen, ist nicht unbedingt überzeugend. Er beklagt, die USA hätten bisher Gewalttäter wie IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi aus der Haft entlassen, nur um sie erneut auf den Schlachtfeldern anzutreffen. Baghdadi war im Irak inhaftiert, nicht in Guantanamo.´ Mindestens so interessant wie Trumps Ankündigungen sind die Themen, die in seiner Ansprache nicht vorkommen. Den Russland-Skandal zum Beispiel erwähnt er nicht. Obwohl die US-Geheimdienste dem Kreml Manipulationsversuche bei der Präsidentenwahl 2016 vorwerfen und sich auf neue russische Störaktionen bei den anstehenden Kongresswahlen im Herbst einstellen, kommt das Thema in Trumps Rede nicht vor.
Er wäre gern ein Präsident, der das Land eint, hatte Trump kurz vor der Rede bei einem Treffen mit Journalisten gesagt. Doch die Lage der Nation bleibt tief gespalten.