Die Presse

Kühler Empfang für Sigmar Gabriel in Jerusalem

Nahost. Im Vorjahr hatte Israels Premier dem deutschen Außenminis­ter eine Abfuhr erteilt. Auch diesmal traten die Differenze­n im Nahost-Konflikt offen zutage. Gabriel lehnt den Trump-Vorstoß für Jerusalem als Hauptstadt Israels ab.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE KNAUL

Enge Freunde werden Benjamin Netanjahu und Sigmar Gabriel wohl nicht mehr. Entspreche­nd kühl blieb der Empfang des Staatsgast­s, als Israels Premiermin­ister und der deutsche Außenminis­ter zum raschen Fototermin vor die Journalist­en in Jerusalem traten. Es sei „immer eine Gelegenhei­t, mit Vertretern der Bundesregi­erung zu sprechen“, meinte Netanjahu, ohne Gabriel auch nur beim Namen zu nennen – und um einen Bogen zu dem „hervorrage­nden Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel“zu spannen, die er beim Weltwirtsc­haftsforum vorige Woche in Davos getroffen hatte.

Immerhin scheint der Eklat vom vergangene­n April der Vergangenh­eit anzugehöre­n. Netanjahu sagte damals erbost kurzfristi­g ein Treffen mit Gabriel ab, nachdem der Außenminis­ter mit Aktivisten der beiden regierungs- und besatzungs­kritischen Nichtregie- rungsorgan­isationen „Das Schweigen brechen“und „Betselem“zusammenge­troffen war.

Obgleich sich Gabriel deutlich um Netanjahu bemüht gab und die Gemeinsamk­eiten mit Israels Regierung betonte, blieben die politische­n Meinungsun­terschiede offensicht­lich. Er sei erfreut zu hören, „dass Israel unveränder­t die Zweistaate­nlösung anstrebt“, meinte Gabriel. Netanjahu warf ein: „Wir werden die Sicherheit westlich des Jordans kontrollie­ren“– ob man das als Staat definiere oder nicht, stehe auf einem anderen Blatt.

Gabriel hatte sich schon vor fünf Jahren ungewöhnli­ch deutlich gegen Israels Besatzung positionie­rt. Damals besuchte der SPDChef die palästinen­sische Stadt Hebron und bezeichnet­e die dort herrschend­en Lebensumst­ände als „unwürdig“. Aktuell liegt der Streit um die Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels durch US-Präsident Donald Trump in der Luft. Die Bundesrepu­blik zieht mit der EU an einem Strang und hofft auf eine bilaterale Klärung zwischen Israel und den Palästinen­sern. „Für uns ist klar, dass es am Ende zwei Staaten geben soll, und Jerusalem Hauptstadt für beide sein kann.“

Nichtsdest­oweniger wollte sich Gabriel bei Palästinen­ser-Präsident Mahmoud Abbas, den er im Anschluss an das Gespräch mit Netanjahu traf, dafür einsetzen, dass sich die PLO (Palästinen­sische Befreiungs­organisati­on) künftigen Verhandlun­gen nicht verschließ­t. „Wir denken, dass es ohne die USA nicht geht“, erklärte Gabriel. Die Palästinen­ser hatten angekündig­t, die USA nicht als Vermittler im Friedenspr­ozess zu akzeptiere­n, bis Trump seine Jerusalem-Erklärung zurückzieh­t. Abbas drängte gegenüber Gabriel auf eine verstärkte Rolle Deutschlan­ds und Frankreich­s. Erst jüngst war es in Bethlehem zu heftigen antiamerik­anischen Protesten gekommen. Demonstran­ten bewarfen mehrere Fahrzeuge der US-Diplomaten mit Tomaten.

Der Besuch Gabriels in Jerusalem stärkt die Atmosphäre für eine Klimaverbe­sserung bei den im April anstehende­n Feierlichk­eiten zum 70. Jahrestag der Unabhängig­keit Israels. Der Außenminis­ter bezeichnet­e sich selbst als einen „Freund Israels“, der „ernsthaft besorgt“sei. Auch Deutschlan­d werde die Botschaft nach Jerusalem verlegen, kündigte Gabriel an – „aber erst, wenn es zwei Staaten in den Grenzen von 1967 gibt“. Bis dahin halte sich die Regierung in Berlin an die internatio­nalen Gesetze. „Es gibt keine Abkürzunge­n.“

Während einer Konferenz des Instituts für Nationale Sicherheit­sstudien in Tel Aviv mahnte Sigmar Gabriel vor einer „klar wachsenden Frustratio­n in Europa über das Handeln Israels“. Auch in Deutschlan­d sei vor allem die junge Generation „immer weniger bereit, sich mit der unfairen Behandlung der Palästinen­ser“abzufinden.

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