Die Presse

Hürdenreic­her Weg von Prishtina nach Brüssel

EU-Erweiterun­g. Spanien hat laut „EU Observer“die Brüsseler Behörde dazu aufgeforde­rt, den Kosovo aus ihren Plänen zur Beschleuni­gung des Erweiterun­gsprozesse­s am Westbalkan auszuschli­eßen.

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Am 18. Februar jährt sich die Unabhängig­keit des Kosovo zum bereits zehnten Mal – ein Anlass zur Freude im jüngsten Staat Europas. Doch die Freude wird durch die Tatsache getrübt, dass die Aussicht auf eine EU-Mitgliedsc­haft in die Ferne zu rücken scheint. Und das hat weniger mit der Reformmüdi­gkeit der Kosovaren zu tun und mehr mit der Erweiterun­gsmüdigkei­t der Union und der aktuellen politische­n Entwicklun­gen.

Die jüngste schlechte Nachricht für Prishtina kommt aus Spanien: Wie das Nachrichte­nportal „EU Observer“berichtet, soll die Regierung in Madrid die EU-Kommission aufgeforde­rt haben, den Kosovo aus ihren Plänen zur Beschleuni­gung des Erweiterun­gsprozesse­s am Westbalkan auszuschli­eßen. „Kosovo ist nicht Teil des Erweiterun­gsprozesse­s und braucht eigene Rahmenbedi­ngungen“, heißt es in einer spanischen Depesche an die Kommission, die dem Nachrichte­nportal vorliegt.

Inoffiziel­l gilt der Kosovo neben Serbien, Bosnien-Herzegowin­a, Montenegro, Mazedonien und Albanien als Teil der sogenannte­n WB6 – jener Westbalkan- länder, die auf die Aufnahme in die EU hoffen. Die Brüsseler Behörde will in der kommenden Woche ihre Westbalkan­politik nachjustie­ren – die Botschaft aus Madrid ist also als Warnruf an die Kommission zu verstehen.

Dass Spanien jetzt auf stur schaltet, kommt nicht von ungefähr. Madrid war bisher wenig zugeneigt, dem einstigen Teilgebiet Serbiens den Weg nach Brüssel zu ebnen. Doch mit der Eskalation des Konflikts um eine Unabhängig­keit der spanischen Provinz Katalonien hat sich die Haltung der Zentralreg­ierung zusätzlich verhärtet. Wobei Spanien nicht der einzige Mitgliedst­aat ist, der Bedenken hat. Auch Zypern, Griechenla­nd, Rumänien und die Slowakei habern den Kosovo bis dato nicht als unabhängig­en Staat anerkannt – aus der Sorge heraus, auf diese Weise separatist­ische Tendenzen zu verstärken.

Gemäß „EU Observer“argumentie­rt Spanien unter anderem damit, dass der Erweiterun­gsprozess kein wirksames Mittel zur Konfliktpr­ävention sein könne – eine Behauptung, die von jüngsten Entwicklun­gen am Westbalkan indirekt bestätigt wird. So streiten Slowenien und Kroatien trotz EUMitglied­schaft nach wie vor über den Grenzverla­uf in der Bucht von Piran, während die Kommission – bis dato ohne Erfolg – versucht, zwischen den Streitpart­eien zu schlichten.

Mit ihrer neuen Westbalkan­Strategie versucht die Brüsseler Behörde, die Region nachhaltig zu befrieden. Demnach soll Serbien der Beitritt zur EU bis spätestens 2025 in Aussicht gestellt werden, sofern sich Belgrad dazu bereit erklärt, seine Beziehunge­n zum Kosovo zu normalisie­ren. Die EU hat mit Serbien bisher zwölf von 35 Beitrittsk­apiteln geöffnet, zwei wurden vorläufig auch geschlosse­n. Bei Staatspräs­ident Aleksandar Vuciˇc,´ der am kommenden Freitag in Wien erwartet wird, stößt Brüssel auf (zumindest teilweise) offene Ohren: Es sei Zeit, in Sachen Kosovo nicht mehr den Kopf in den Sand zu stecken, sondern „realistisc­h“zu sein, meinte Vuciˇc´ kurz nach seinem Amtsantrit­t im vergangene­n Sommer. Belgrad erhofft sich von Wien Fürsprache während des österreich­ischen EU-Vorsitzes im zweiten Halbjahr 2018.

Aber auch die Kosovaren müssen, sofern sie in Brüssel Fortschrit­te erzielen wollen, über ihre Schatten springen. Ein Teil der kosovarisc­hen Parlaments­abgeordnet­en drängt darauf, das in Den Haag ansässige Sondergeri­cht für Kriegsverb­rechen der einstigen kosovo-albanische­n Milizen (UCK) abzuschaff­en. Dutzenden ehemaligen UCK-Kämpfern, die es in der Zwischenze­it zu politische­r Macht gebracht haben, droht dem Vernehmen nach die Anklage. (ag./la)

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