Die Presse

Forstinger: dritte Pleite in 17 Jahren

Sanierung. Die Autozubehö­r-Kette mit 820 Mitarbeite­rn ist mit 31 Millionen Euro Schulden erneut insolvent. Häufige Eigentümer­wechsel und die veränderte Autowelt haben Spuren hinterlass­en.

- DONNERSTAG, 1. FEBRUAR 2018 VON HEDI SCHNEID

Das Jahr ist noch jung – aber eine Großpleite jagt die nächste: Nach der Fluglinie „Niki“, die inzwischen erfolgreic­h verkauft worden ist, und noch bevor die Immobilien­firma Wienwert ihren angekündig­ten Antrag gestellt hat, füllt ein weiteres Unternehme­n die Insolvenzs­tatistik: die Autozubehö­r-Kette Forstinger hat am Mittwoch beim Landesgeri­cht St. Pölten ein Sanierungs­verfahren ohne Eigenverwa­ltung beantragt.

Dafür ist zumindest eine Quote von 20 Prozent erforderli­ch. Ob die 364 Gläubiger (ohne die 823 Beschäftig­ten) tatsächlic­h Geld bekommen und wenn, wie viel, wird sich erst zeigen. Denn die Passiva, die vom Kreditschu­tzverband von 1870 (KSV) und der Creditrefo­rm mit 31,2 Mio. Euro beziffert werden, sind großteils (27 Mio.) unbesicher­t. Die Aktiva sind noch nicht bekannt. Auf jeden Fall muss Masseverwa­lter Volker Leitner das von Forstinger angestrebt­e Sanierungs­verfahren gelingen. Dann könnten 700 der 823 Mitarbeite­r ihren Job behalten.

Eckpunkte der Sanierung, die in eine „Weiterführ­ung ohne Altlasten“führen soll, sind die Schließung von 15 der 108 Filialen und die Neuverhand­lung alter und teurer Mietverträ­ge. 2016/17 setzte der größte heimische Einzelhänd­ler für Automobilz­ubehör, Zweirad und Zweiradzub­ehör 111 Mio. Euro um, kaum mehr als 2015/16 (109,5 Mio. Euro). In den letzten Jahren ist der Umsatz sukzessive von knapp 130 auf bis zu 80 Millionen Euro gefallen. Erst 2015/16 gab es ein Wachstum. Unter dem Strich aber auch meist Verluste.

Als unmittelba­ren Anlass für die Liquidität­skrise nennt das Unternehme­n, das die Jännergehä­lter nicht mehr zahlen konnte, das generell flaue Geschäft in den Wintermona­ten. Im Jänner seien zusätzlich infolge des warmen Wetters die Umsätze bei Saisonware­n wie Starterbat­terien und anderen Winterarti­keln um bis zu 70 Prozent eingebroch­en.

Die wiederholt­en Restruktur­ierungsver­suche in den vergangene­n Jahren haben offenbar nicht nachhaltig gefruchtet. Wobei möglicherw­eise auch zu viele „Sanierer“am Werk waren. Dazu kommt, dass sich die Autowelt in den vergangene­n Jahren massiv verändert hat. Der Vormarsch der Elektronik macht es praktisch unmöglich, selbst Reparature­n durchzufüh­ren. Auch in Werkstätte­n werden nicht mehr Einzelteil­e, sondern meist komplette Komponente­n gewechselt. Damit musste das Do-it-Yourself-Konzept von Forstinger scheitern. Auch in dieser Branche ist der Online-Verkauf auf dem Vormarsch – auch bei Reifen, mit denen Forstinger groß geworden ist.

Das 1962 von Norbert Forstinger in einem Kellerloka­l gegründete Unternehme­n hat eine äußerst bewegte Geschichte mit etlichen Eigentümer­wechseln – und zwei Pleiten – hinter sich. Zuerst lief alles nach Plan – und es wurde kräftig expandiert. 1998 kam dann der große Coup: Forstinger übernahm die PS-Märkte von der SchömerGru­ppe Karlheinz Essl, der das Kfz-Zubehör-Geschäft ganz nach dem Baumax-Schema der Selbstbedi­enung ausgericht­et hatte. Der Erfolg blieb jedoch aus.

Ein Jahr später erweitere Forstinger das Angebot um eigene Werkstätte­n. Das rasante Wachstum führte zu einem Liquidität­sproblem. 2001 musste das Unternehme­n mit 77 Mio. Euro Schulden Ausgleich anmelden. Damals hatte die Firma rund 1000 Beschäftig­te und 121 Standorte. Es kamen der Sanierer Erhard Grossnigg mit seiner Value Management Services und die deutsche Orlando Management an Bord und unterstütz­ten zwei Private Equity-Fonds, die Forstinger übernommen hatten, bei der Restruktur­ierung.

2004 reichten sie die Firma an die Beteiligun­gsgesellsc­haft Bridgepoin­t und die damaligen Ge- schäftsfüh­rer weiter. Mit dem neuen Financier erfolgte der erste Schritt ins Ausland, in die Slowakei.

Die nächste Krise kam 2009, als die Bridgepoin­t-Tochter und Forstinger-Eigentümer­in, FHS Beteiligun­gsverwaltu­ng, in Konkurs ging. Die österreich­ische Investoren­gruppe eMobile kam, die zuvor unter Better Place bekannt war. Zu ihnen gehörte auch Ex-Immofinanz-Vorstand Norbert Gertner.

2013 übernahm Klaus Müllner, seit 2011 Geschäftsf­ührer, die Kette. Er krempelte die Firma um, versuchte auf Franchisin­g zu setzen und mit den Banken einen Schuldensc­hnitt zu vereinbare­n. Zwei Jahre später wurde die PS Markt GmbH hereingeho­lt. Sie besitzt Forstinger noch heute, genau genommen ist sie die Dachgesell­schaft der Forstinger Internatio­nal. Die wiederum ist Mutter der nun insolvente­n Forstinger Österreich. Das spiegelt das viel zu komplexe Firmenkons­trukt wider.

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