Die Presse

Großinsolv­enzen wirken größer

Studie. Eco Austria hat 4000 Restruktur­ierungsfäl­le analysiert: Wegen Trump oder dem Brexit sperrt fast keiner zu. Megapleite­n schlagen am Arbeitsmar­kt keine hohen Wellen.

-

Niki, Zielpunkt, Dayli sind Namen, die die Österreich­er mit tausenden gestrichen­en Stellen, mit Filialschl­ießungen und verfallene­n Flugticket­s assoziiere­n. Politiker, Unternehme­r und Betriebsrä­te fordern bei solchen Anlässen probate Mittel und Lösungen.

Das Wirtschaft­sforschung­sinstitut Eco Austria hat nun die Folgen der Pleiten am Arbeitsmar­kt in Zahlen gefasst. Die Publikatio­n, die der „Presse“exklusiv vorliegt, zeigt: Die Auswirkung­en sind überschaub­ar. „In einem kleinen Land wie Österreich prägen einzelne große Fälle das Bild“, sagt Autor Johannes Berger. Das lenke den Blick weg von den Tatsachen: Von rund vier Millionen Beschäftig­ten sind in Österreich pro Jahr im Schnitt 2400 Menschen von 121 großen Restruktur­ierungsfäl­len betroffen. Von 2003 bis 2017 waren das 0,06 Prozent aller Jobs.

Basis der Studie ist der European Restructur­ing Monitor (ERM). Er erfasst seit 2003 4015 Restruktur­ierungen: Insolvenze­n, Schließung­en und Standortve­rlagerunge­n – in der EU und Norwegen mit 1,45 Millionen betroffene­n Jobs. Das wirkt wenig, wenn man es mit den Zahlen des KSV vergleicht: Er zählte 2017 5079 Unternehme­nsinsolven­zen mit 16.300 betroffene­n Stellen. Ein Grund der großen Differenz ist, dass der ERM nur die richtig großen, medial aufgegriff­enen Pleiten einrechnet.

Aktueller Anlass der Untersuchu­ng war die Frage, ob die Han- delspoliti­k von US-Präsident Trump oder der Brexit bereits für große Verschiebu­ngen gesorgt haben. „Die aktuellen geopolitis­chen Entwicklun­gen haben sich bislang kaum in den Daten niedergesc­hlagen“, sagt Tobias Thomas von Eco Austria. In nur sechs von 350 Fällen gaben Firmen 2016 und 2017 an, wegen der Abwertung des Pfund, den Anschlägen in Paris oder der US–Politik zuzusperre­n.

Die Daten zeigen allerdings ein spannendes Muster: Bis 2007 waren Standortve­rlagerunge­n – vor allem von Westeuropa in die neuen Mitgliedsl­änder im Osten – auf ihrem Höhepunkt. Mit Ausbruch der Wirtschaft­skrise wurden sie deutlich von Schließung­en und Insolvenze­n abgelöst. (loan)

Newspapers in German

Newspapers from Austria