Die Arbeitslose, ihr Frosch, und wir mittendrin
„Der Winter tut den Fischen gut“im Pop-up-Theater für 25 Zuschauer: eindringlich und witzig.
Will man an den vielen Theaterinnovationen, die derzeit in Wien passieren, zwei zentrale Gemeinsamkeiten feststellen, dann wären es wohl diese: Die vierte Wand wird, wenn nicht eingerissen, dann zumindest angebohrt, und die Orte, an denen das geschieht, müssen nicht klassische Bühnengebäude sein. Das gilt für das beliebte Partizipationsspiel von Nesterval, jener Performancekompanie, die etwa in einem leerstehenden Kloster in Favoriten Motive aus Faust und Dirty Dancing zu einem fulminanten Abenteuer verwebte. Das gilt auch für Theaterprojekte wie Volker Schmidts New Space Company oder Veronika Glatzners Verein Tempora, die gutes zeitgenössisches Theater in ungenutzte Leerstände bringen und das Publikum nicht von unten, sondern von mittendrin teilhaben lassen.
Nach einem ähnlichen Prinzip funktionierte auch das erste Projekt des neu gegründeten Theater IG Fokus: Margit Mezgolich inszenierte in einem ehemaligen Parkett-Geschäft in der Hütteldorfer Straße, das zu einer Retro-Boutique umgestaltet wurde, Anna Weidenholzers Roman „Der Winter tut den Fischen gut“. Exklusiver kann Theater kaum sein: Nur rund 25 Zuschauer tummeln sich auf Hockern und Sesseln – und lassen sich von den freundlichen Darstellern (Petra Strasser, Elisabeth Veit, John F. Kutil) immer wieder umplatzieren, während aus dem Raum eine Wohnung, eine Bar, ein seelenloses AMS-Center werden. Erzählt wird – fragmentarisch und im Rückwärtsgang – das Leben der einsamen Durchschnittsfrau Maria, die mit 52 Jahren ihren Job verliert und daran zerbricht.
Als Publikum fühlt man sich ungewohnt exponiert, wo es keine trennenden Lichtverhältnisse, keine klare Unterscheidung zwischen Schauspiel und Ansprache gibt – und wird umso mehr in die Szenen hineingezogen. Man versteht, wie aus einer jungen, „Love Me Tender“trällernden Verliebten eine verschlossene Witwe wird, die Beziehungen zu allen bis auf ihren Frosch Otto abgebrochen hat und auf der Straße jedem bekannten Gesicht ausweicht: Es könnte ja fragen wollen, ob sie endlich eine Arbeit gefunden hat. „Maria möchte ihr Gesicht verbergen, aber sie weiß nicht, wohin damit“, sagt die Erzählerstimme, die die Darsteller zwischen Rollentauschmanövern immer wieder einnehmen. Demütigende AMS-Betreuer, eine kaffeesudlesende Nachbarin, ein Ehemann im Elvis-Kostüm und allerlei Fantasien: All das verbindet sich in der geschickten Inszenierung zu einer tragikomischen Collage. Nur zu schade, dass das nicht mehr Leute sehen können!