Der nullte Nerv bringt die Angst vor zuviel CO2
Was warnt uns vor Kohlendioxid? An Zebrafischen fanden japanische Forscher einen Signalweg.
Auch wenn es noch so oft – Klimawandel! – im bedrohlichen Kontext vorkommt: Kohlendioxid (CO2) ist im Gegensatz zu Kohlenmonoxid (CO) kein Gift. Wenn ein Weinbauer im Keller im Kohlendioxid erstickt, dann nicht, weil es ihn vergiftet, sondern weil es schwerer ist als Sauerstoff und diesen quasi von unten verdrängt.
Genau aus diesem Grund sind hohe CO2-Konzentrationen gefährlich – und ist es sinnvoll, Warnvorrichtungen gegen sie zu entwickeln. Tatsächlich kann zuviel CO2 bei Tieren und auch bei Menschen Panikreaktionen auslösen, die aber zumindest bei uns (Weinkeller!) nicht sehr zuverlässig scheinen. Und man weiß erstaunlich wenig über sie. Aus Experimenten an Mäusen lernte man, dass sie zumindest teilweise über Sensoren (namens ASIC1a) laufen, die im Grunde auf Sinken des pH-Werts (also auf steigenden Säuregrad) reagieren und direkt in der Amygdala – plakativ gesagt: dem Angstzentrum des Hirns – aktiv sind.
Auch Fische empfinden größere Mengen an CO2 offenbar als unangenehm, verständlicherweise: Auch sie müssen Sauerstoff atmen, und dieser wird auch im Wasser von CO2 verdrängt. So reagieren Larven von Zebrafischen – in der Forschung ob ihrer Durchsichtigkeit sehr beliebt – auf Wasserregionen mit viel CO2, indem sie die Schwimmrichtung ändern.
Diese Reaktion ist viel langsamer als die auf eine Berührung des Kopfes, aber sie ist zuverlässig. Japanische Hirnforscher fanden nun mit teils chirurgischen Methoden heraus, dass die Reaktion auf CO2 bei diesen Fischen über die Nase (respektive Riechgrube) läuft, nicht aber über den Signalweg, über den Gerüche laufen. Sondern über Chemosensoren, die am Nervus terminalis, auch nullter Hirnnerv genannt, sitzen (Cell Reports, 22, S. 1).
Dieser Nerv heißt nicht nur mysteriös, seine Funktion ist auch recht schlecht erforscht. Beim Menschen ist er so zart, dass er erst 1913 beschrieben wurde. (Erstmals entdeckt wurde er 1878 am Hirn eines Hais, von Gustav Fritsch, der ihn den „überzähligen Nerv“nannte.) Offenbar ist er bei uns in früheren Entwicklungsstadien – vor der Geburt – stärker und wird danach reduziert; das könnte – nach der Haeckelschen Regel „Die Ontogenese rekapituliert die Phylogenese“– dafür sprechen, dass er im Lauf der Evolution zum Menschen an Bedeutung verloren hat. Ein archaisches Relikt also? Oder vermittelt er Reize, die uns – im Gegensatz zu den meisten Geruchsempfindungen – gar nicht bewusst werden? Uns trotzdem nützlich sind? Ein solcher Reiz wäre die CO2-Konzentration gewiss.