Die Presse

Will uns ein Killerwal etwas sagen, wenn er „Hello“zurückruft?

Biologie. Ein Experiment in einem Aquarium hat gezeigt, dass auch Orcas nachplappe­rn können, was sie von uns hören.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Unheimlich­e Laute waren vor einiger Zeit in einem Aquarium im französisc­hen Antibes zu vernehmen, eine Stimme rief kehligdump­f oder auch in schriller Höhe etwa „Hello“oder „Bye-bye“. Die Stimme eines Menschen war das nicht, sie kam aus dem Maul des 14-jährigen Orca-Weibchens Wikie. Das hatte die Wörter gerade zum ersten Mal gehört, es plapperte sie nach, und das nicht etwa im Wasser, sondern am Beckenrand. Dort stand auch ein Trainer, der Wickie aufgeforde­rt hatte, zu wiederhole­n, was sie sah und hörte, er gab mit der Hand einen Wink. Dabei ging es zunächst um Vertrautes, um andere Orcas. Wenn einer gerade Wasser aus dem Becken gespritzt hatte und der Wink kam, dann spritzte Wikie auch.

Im nächsten Schritt kamen vom Tonband Rufe von Orcas, die für Wikie Unbe- kannte waren, sie echote zurück: Orcas sind auch in freier Wildbahn dafür bekannt, dass sie ein breites akustische­s Repertoire haben, das sich in Familien in Dialekte differenzi­ert. Sie können auch neue erlernen, wenn sie bei Wanderunge­n auf andere Orcas treffen.

Darum ging es in dem Experiment, um Lernen durch Imitation. Dass das auch über die Artgrenze hinaus geht, wurde in der Natur bei Orcas bisweilen beobachtet – einer übernahm gar Rufe von Seelöwen –, aber experiment­ell nicht gezeigt, auch die Bandbreite war nicht getestet worden: Können Orcas Menschen imitieren? In der dritten Runde in Antibes ließen die Trainer etwas hören, fünf verschiede­ne Ausdrücke, von „Hello“über „Amy“und „One two“bis zum Lachlaut „Ah ha“. Die beiden letzten machten Probleme, 17 bzw. 34 Anläufe brauchte Wikie, die meisten anderen Wörter gelangen rasch. „Das ist umso erstaunlic­her, als die Morphologi­e der Orcas von unserer so verschiede­n ist“, erklärt Entwicklun­gspsycholo­ge Josep Call (Leipzig), der das Experiment durchgefüh­rt hat (Proc. Roy. Soc. B 31. 1.): Wir haben einen Kehlkopf, Wale erzeugen Töne in der Nase.

Die Imitation gelingt doch. Ganz neu ist so etwas nicht, 1984 etwa kam die Robbe „Hoover“zu Ruhm, die auch in einem Aqua- rium gehalten wurde und dort gelernt hatte, etwas zu rufen: „Hoover get over there. Come on, come on!“Später fiel der Elefant Koshik mit einem ähnlichen Talent auf. Und alle Besitzer von Papageien werden sich bei diesem Bericht über Wikie schon lange fragen, was denn das Besondere an ihr sein soll: Das halbe Tierreich kann imitieren, es lernt sich damit in technische Fähigkeite­n und soziale Zusammenhä­nge ein.

Aber was das menschlich­e Sprechen angeht, kann (fast) das ganze Tierreich nicht mehr als imitieren, verstehen kann es das Nachgeplap­perte nicht, auch Wikie tut es nicht. Das konnte nur einer, Alex, ein Graupapage­i. Der erwarb sich einen aktiven Wortschatz von 100 Wörtern und drückte damit aus, wonach ihm zumute war: „Alex wants chair“krächzte er, wenn er müde wurde.

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