Pfäfflein und Mägdelein
Über die Studentenverbindungen gibt es in der öffentlichen Wahrnehmung ein undifferenziertes und klischeehaftes Bild.
Hitzige Diskussionen haben mitunter die Eigenschaft zu Verallgemeinerungen. Genau dies passiert derzeit in Zusammenhang mit den widerwärtigen Texten der Burschenschaft Germania. Ohne irgendwelche Differenzierungen werden Burschenschafter, CVer und MKVer in einen Topf geworfen.
Studentenverbindungen sind seit Langem ein wesentlicher Teil der akademischen Geschichte. Ab 1800 formierten sich im deutschsprachigen Raum die ersten Burschenschaften. Sie übernahmen auch das noch aus dem vorherigen Jahrhundert gepflogene studentische Fechten, aus dem sich die Mensur entwickelt.
Noch vor der 1848er-Revolution traten die ersten katholischen Verbindungen auf. Von da an begannen sich schlagende sowie katholische Studentenvereine auseinanderzuleben. Letztere schworen der Mensur ab. Man zog klare Trennlinien, stand einander oft geradezu feindselig gegenüber.
In der NS-Diktatur hatten Studentenverbindungen keinen Platz, lösten sich auf, wurden verboten. Viele ihrer Mitglieder wurden zu NS-Mitläufern, viele legten aber ihre Meinung nicht ab und landeten in den KZ wie Leopold Figl oder Alfons Gorbach.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg gingen die Studentenverbände unterschiedliche Wege. Die Burschenschaften sehen sich als Teil der deutschen Nation, pflegen die Deutschtümelei, leben die Tradition von „Deutsch-Österreich“fort. CV und MKV bekannten sich dagegen zum neuen Österreich, wurden Teil des erwachenden österreichischen Nationalbewusstseins. Die FPÖ proklamierte noch in den 1980er-Jahren ihre Zugehörigkeit zur deutschen Nation, was damals ihrer Jugendorganisation die Mitgliedschaft im Bundesjugendring versperrte.
Das Verbindungsleben ist in der breiten Öffentlichkeit von Klischees bestimmt. Tatsächlich lernen die angehenden Maturanten bzw. die Studenten in den Verbindungen, sich in einer demokratischen Gesellschaft wichtigen Fragen zu stellen, Positionen zu begründen, Standpunkte zu verteidigen. Was zur Folge hat, dass sich vieler ihrer Mitglieder im poststudentischen Leben in der Politik und Wirtschaft finden und Spitzenpositionen bekleiden.
Natürlich ist auch die Pflege von Geselligkeit Teil des Verbindungslebens. In fast allen Liederbüchern finden sich Texte, die nicht stubenrein sind. Aber es ist eben ein gewaltiger Unterschied, ob man über „das Pfäfflein und die Mägdelein“scherzt oder ob man den Holocaust bagatellisiert.
Der Fall Germania zeigt auf, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist. Dazu bedarf es nicht nur Historikerkommissionen, sondern auch eines Selbstreinigungsprozesses. Keine Frage, auf FPÖ-Seite besteht angesichts der Häufigkeit der Fälle besonderer Nachholbedarf.
Aber es sind alle demokratischen Kräfte gefordert, Nachschau zu halten. Nicht nur in Österreich und nicht nur, was die Vergangenheit, sondern auch, was die Gegenwart betrifft. Man lese nur die Wortspenden in den Postings und den Internetforen, die mitunter erschreckendes Gedankengut zutage fördern. Vielleicht wäre auch das ein Thema, das mahnende Worte des Bundespräsidenten nötig hätte.