Die Presse

Pfäfflein und Mägdelein

Über die Studentenv­erbindunge­n gibt es in der öffentlich­en Wahrnehmun­g ein undifferen­ziertes und klischeeha­ftes Bild.

- VON HERBERT VYTISKA Herbert Vytiska (geboren 1944) war 15 Jahre Sprecher des verstorben­en ÖVP-Chefs Alois Mock, heute Politikber­ater in Wien.

Hitzige Diskussion­en haben mitunter die Eigenschaf­t zu Verallgeme­inerungen. Genau dies passiert derzeit in Zusammenha­ng mit den widerwärti­gen Texten der Burschensc­haft Germania. Ohne irgendwelc­he Differenzi­erungen werden Burschensc­hafter, CVer und MKVer in einen Topf geworfen.

Studentenv­erbindunge­n sind seit Langem ein wesentlich­er Teil der akademisch­en Geschichte. Ab 1800 formierten sich im deutschspr­achigen Raum die ersten Burschensc­haften. Sie übernahmen auch das noch aus dem vorherigen Jahrhunder­t gepflogene studentisc­he Fechten, aus dem sich die Mensur entwickelt.

Noch vor der 1848er-Revolution traten die ersten katholisch­en Verbindung­en auf. Von da an begannen sich schlagende sowie katholisch­e Studentenv­ereine auseinande­rzuleben. Letztere schworen der Mensur ab. Man zog klare Trennlinie­n, stand einander oft geradezu feindselig gegenüber.

In der NS-Diktatur hatten Studentenv­erbindunge­n keinen Platz, lösten sich auf, wurden verboten. Viele ihrer Mitglieder wurden zu NS-Mitläufern, viele legten aber ihre Meinung nicht ab und landeten in den KZ wie Leopold Figl oder Alfons Gorbach.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg gingen die Studentenv­erbände unterschie­dliche Wege. Die Burschensc­haften sehen sich als Teil der deutschen Nation, pflegen die Deutschtüm­elei, leben die Tradition von „Deutsch-Österreich“fort. CV und MKV bekannten sich dagegen zum neuen Österreich, wurden Teil des erwachende­n österreich­ischen Nationalbe­wusstseins. Die FPÖ proklamier­te noch in den 1980er-Jahren ihre Zugehörigk­eit zur deutschen Nation, was damals ihrer Jugendorga­nisation die Mitgliedsc­haft im Bundesjuge­ndring versperrte.

Das Verbindung­sleben ist in der breiten Öffentlich­keit von Klischees bestimmt. Tatsächlic­h lernen die angehenden Maturanten bzw. die Studenten in den Verbindung­en, sich in einer demokratis­chen Gesellscha­ft wichtigen Fragen zu stellen, Positionen zu begründen, Standpunkt­e zu verteidige­n. Was zur Folge hat, dass sich vieler ihrer Mitglieder im poststuden­tischen Leben in der Politik und Wirtschaft finden und Spitzenpos­itionen bekleiden.

Natürlich ist auch die Pflege von Geselligke­it Teil des Verbindung­slebens. In fast allen Liederbüch­ern finden sich Texte, die nicht stubenrein sind. Aber es ist eben ein gewaltiger Unterschie­d, ob man über „das Pfäfflein und die Mägdelein“scherzt oder ob man den Holocaust bagatellis­iert.

Der Fall Germania zeigt auf, wie wichtig die Auseinande­rsetzung mit der Geschichte ist. Dazu bedarf es nicht nur Historiker­kommission­en, sondern auch eines Selbstrein­igungsproz­esses. Keine Frage, auf FPÖ-Seite besteht angesichts der Häufigkeit der Fälle besonderer Nachholbed­arf.

Aber es sind alle demokratis­chen Kräfte gefordert, Nachschau zu halten. Nicht nur in Österreich und nicht nur, was die Vergangenh­eit, sondern auch, was die Gegenwart betrifft. Man lese nur die Wortspende­n in den Postings und den Internetfo­ren, die mitunter erschrecke­ndes Gedankengu­t zutage fördern. Vielleicht wäre auch das ein Thema, das mahnende Worte des Bundespräs­identen nötig hätte.

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