Die Presse

Rütteln an unseren Grundwerte­n: Gastkommen­tar von Andreas Kresbach

Es ist überfällig, dass der Verfassung­sschutz die deutschnat­ionalen Burschensc­haften einmal genauer anschaut.

- VON ANDREAS KRESBACH Dr. Andreas Kresbach (geboren 1961) ist Jurist im öffentlich­en Dienst und Generation­ensprecher des politische­n Thinktanks „Die weis[s]e Wirtschaft“. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die Debatte um die deutschnat­ionale bis rechtsextr­eme Schlagseit­e der Burschensc­haften hat sich wieder einmal an Nebensächl­ichkeiten entzündet. So widerlich und abartig derartige judenfeind­liche Liedertext­e wie die zuletzt entdeckten der schlagende­n Verbindung Germania auch sein mögen – sie sind nur Beiwerk des Selbstvers­tändnisses, der Geisteshal­tung und der Werte der deutschnat­ionalen Korporatio­nen. Allerdings ein Vielsagend­es.

Es ist überfällig, sich die Veranstalt­ungskalend­er vor allem der als radikal bekannten Korporatio­nen, die auf den Verbindung­en gehaltenen Vorträge einschlägi­ger Referenten (z. B. Holocaust-Leugner etc.) und das praktisch in allen Burschensc­haften verwendete Schriftmat­erial aus Sicht des Verfassung­sschutzes einmal näher anzusehen.

So manches, was von älteren Semestern oder jüngeren Ideologen da an Geschichts­verständni­s, Verharmlos­ung der NS-Diktatur, Rechtferti­gung von Kriegsverb­rechen, offenem Rassismus und Ausländer- und Islamfeind­lichkeit artikulier­t wird, ist bewusste Geschichts­fälschung und pure Hetze gegen bestimmte Volksgrupp­en. Es verstößt unmissvers­tändlich gegen das NS-Verbotsges­etz. Da liegt tatsächlic­h ein Fall von Staatsvers­agen vor.

Gefahr für die Ordnung

Diese Umtriebe finden zwar in privaten Räumlichke­iten statt, aber gilt dies nicht etwa auch für islamische Privatkind­ergärten oder Moscheen in Privathäus­ern, deren mitunter extremisti­sche Ideen, Gebräuche und Predigten zu Recht unter Beobachtun­g stehen? Der entscheide­nde Aspekt ist doch, inwieweit durch derartige Propaganda die Grundwerte unseres Staates, des öffentlich­en Lebens und des Rechtssyst­ems infrage gestellt werden. Und dies in einer Weise, dass sogar eine Gefahr für die öffentlich­e Ordnung entstehen könnte.

Es ist schlimm genug, wenn bestimmte Vereinigun­gen, die Teil des gesellscha­ftlichen und politische­n Lebens sein wollen und sind, in ihrem Selbstvers­tändnis neben historisie­render Folklore teilweise auch eine menschenve­rachtende Ideologie vertreten, wenn diese auch kaum öffentlich kundgetan wird.

Wöchentlic­he Ausritte

Wirklich problemati­sch wird es aber, wenn Leute, die durch die Schule der Burschensc­haften gegangen sind, an die Schalthebe­l der Republik gelangen, wie es bei einigen FPÖ-Ministern und Abgeordnet­en nun der Fall ist.

Einen Vorgeschma­ck darauf, wie künftig von den zuständige­n Stellen mit den im Ausmaß nachweisli­ch gestiegene­n rechtsextr­emen Straftaten umgegangen werden könnte, hat der Innenminis­ter Herbert Kickl mit seiner privaten Einschätzu­ng und versuchten Beeinfluss­ung der Ermittlung­en im Fall Udo Landbauer schon geliefert. Die fragwürdig­e Überlassun­g des hochsensib­len Innenresso­rts an eine mit Ressentime­nts aufgeladen­e Wutpartei könnte der traditione­ll staatstrag­enden Kanzlerpar­tei noch ziemlich leidtun.

Die beinahe wöchentlic­hen nationalpo­pulistisch­en Ausritte werden nämlich auch vor der EU-Präsidents­chaft nicht haltmachen und könnten das Land mitten auf der europäisch­en Bühne in ein denkbar ungünstige­s Licht rücken. Dann nämlich, wenn als Kontrastpr­ogramm zum politisch korrekten EU-Protokoll im Gleichschr­itt mit der erklärten EU-Gegnerin Marine Le Pen sowohl der Einmarsch der Russen auf der Krim als auch das Treiben der ehemaligen Kriegshetz­er der Republika Srpska im Taumel nationalis­tischer Gefühlspol­itik besungen werden – nur hoffentlic­h nicht mit Liedern aus dem Fundus der Burschensc­haften. Das wäre dann das nächste Staatsvers­agen.

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