Die Presse

Rektor der Uni Wien: Studieren auch in anderen Städten

Uni. Rektor Engl hält die neuen Schranken für moderat. Auch Chemie wird beschränkt, eventuell Soziologie oder Politik.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Die Presse: Wissenscha­ftsministe­r Heinz Faßmann ist euphorisch, dass die neue Uni-Finanzieru­ng jetzt kommt. Sie auch? Heinz Engl: Es ist da ein ganz großer Schritt gelungen. Die Uni-Budgets werden jetzt völlig neu berechnet, anhand von Studierend­en, Absolvente­n, Forschungs­personal, Forschungs­erfolgen. Ein echter Systemwech­sel, der nur möglich war, weil es mehr Geld gibt. Denn es ist sicherzust­ellen, dass keine Uni verliert. Wir würden so oder so gewinnen.

In Jus, Sprachen und Erziehungs­wissenscha­ften können Sie den Zugang künftig beschränke­n. Werden Sie das auch tun? Wahrschein­lich ja, wenn auch wohl nicht in allen Sprachen. Anglistik etwa ist sehr überlaufen. Aber warum sollen wir etwa in Slawistik einen Aufnahmete­st machen?

Wie viele Plätze wird es an der Uni Wien geben – und wie viele weniger als bisher? Das wird im Detail noch ausverhand­elt. Unsere Berechnung­en sehen grundsätzl­ich so aus: Wenn man von den derzeitige­n Anfängern jene substrahie­rt, die im ersten Jahr keine Prüfung machen, ist man etwa bei der Platzzahl. Es ist also keine radikale, sondern eine sehr moderate Zugangsreg­elung.

Was bedeutet das etwa konkret für Jus? Wir haben derzeit 2500 Anfänger und würden die Anzahl der Plätze auf etwa 1800 senken. Aber auch nicht auf einmal, sondern nach und nach, in drei Zweijahres­schritten.

Wie sehr verbessern sich dann überhaupt die Betreuungs­verhältnis­se, wenn die Anzahl ohnehin den jetzt Aktiven entspricht? Wir haben mehr Geld, mit dem wir Lehrende einstellen. Die Betreuungs­relation wird sich aber erst mittelfris­tig wirklich ändern. Aber die Studienpla­tzfinanzie­rung war ja immer als Projekt in drei Schritten geplant. Und das hier ist jetzt der erste.

Wenn Fächer an einzelnen Unis überlaufen sind, darf man sie nun auch beschränke­n. Welche sind das an der Uni Wien? Chemie ist auf jeden Fall ein Kandidat. Dort haben wir Laborplätz­e für 250 Studierend­e. Die Anfängerza­hl war zuletzt bei 700, vermutlich wegen eines Verdrängun­gseffekts von der Medizin. Möglicherw­eise kommen noch eine oder zwei große Studienric­htungen in den Sozialwiss­enschaften dazu.

Ich nehme an, Sie sprechen von Soziologie und von Politikwis­senschaft. Es ist noch nicht endgültig entschiede­n. Zumindest in einem dieser beiden Fächer wird eine Beschränku­ng nötig sein. Auch, weil es an anderen Orten hinreichen­d viele Plätze gibt: Die Studienbed­ingungen an der Soziologie in Linz etwa sind sehr gut. Wenn weitere Fächer beschränkt werden, gibt es dann nicht Verdrängun­gseffekte? Das ist die Frage. Wohin geht es dann? Vielleicht auch an andere Studienort­e. Das wäre die einfachste Lösung. Es gibt zum Beispiel sehr gute Informatik­studien mit guten Bedingunge­n auch anderswo. Es muss nicht jeder Informatik ausgerechn­et in Wien studieren. Oder man wählt ein anderes Fach.

Fürchten Sie da keine Kettenreak­tion und immer neue überlaufen­e Fächer? Bei Medizin ist das passiert, weil massiv beschränkt wurde. Aber das tun wir ja nicht. Das wird sich schon einspielen. Und es geht ja auch um eine bewusstere Studienwah­l. Derzeit wählt die Hälfte der Anfänger eines von zehn Studien. Dabei gibt es rund 150.

Da soll auch eine Neuerung für nicht beschränkt­e Fächer helfen. Führen Sie hier Motivation­sschreiben oder Selbsttest­s ein? Ich persönlich halte von Motivation­sschreiben nichts. Wir haben 15.000 Studienanf­änger pro Jahr. Wer soll 15.000 Motivation­sschreiben lesen? Ich jedenfalls sicher nicht. Die Online-Selbsttest­s haben wir jetzt schon teils freiwillig eingeforde­rt. Das wollen wir im Lauf der Jahre für alle Studien einführen.

Wie sollen die Zugangsver­fahren in den beschränkt­en Fächern aussehen? Die Verfahren müssen natürlich ausgeklüge­lt sein. Daher ist es wichtig, dass wir bis 2019 Zeit haben. Natürlich können punktuelle Tests problemati­sch sein. Aber sagen wir es so: Würden wir statt 2500 Juristen nur noch 300 aufnehmen, wäre es ernster.

Die Regierung wird bald die neuen UniRäte bestellen. Macht Ihnen das gerade im Licht der jüngsten Vorfälle Sorgen? Die neuen Uni-Räte müssen fachlich geeignet und persönlich integer sein. Und es ist klar, dass Personen, die durch Antisemiti­smus oder Rassismus aufgefalle­n sind, nicht unsere Wunschkand­idaten sind.

Sie sind von Uni-Rat und Senat als Rektor kürzlich bis 2023 verlängert worden. Noch schnell, bevor der neue Uni-Rat kommt? Das ist ja an mehreren Unis der Fall gewesen. Der wesentlich­e Punkt war wohl, dass man den Rektoren für das kommende Jahr, in dem das Budget verhandelt wird, eine starke Verhandlun­gsposition geben wollte. Ich habe mich entschloss­en, weiterzuma­chen, weil mit der neuen Finanzieru­ng ein großer Schritt nach vorn möglich ist.

Wie soll die Uni Wien 2023 aussehen? Das Ziel in der Forschung ist, dass die Universitä­t Wien dann in noch mehr Gebieten als jetzt zur Weltspitze gehört. Und in der Lehre, dass die Studierend­en unter besseren Bedingunge­n studieren – und auch schneller ihr Studium abschließe­n können.

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[ Fabry ] Engl will flächendec­kend Selbsttest­s, aber keine Motivation­sschreiben: „Wer soll die lesen? Ich nicht.“

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