Berlusconi hat sich neu erfunden
Italien. Der Ex-Premier dominiert den Wahlkampf und punktet in Umfragen. Das Geheimnis seiner politischen Wiederauferstehung: Er präsentiert sich nun als proeuropäischer Staatsmann.
Interviews in allen Fernsehkanälen, TV-Diskussionen mit schelmischen Nebenbemerkungen, perfekt inszenierte WahlkampfShows, Kuschel-Fotosessions mit seiner 50 Jahre jüngeren Lebensgefährtin, Francesca Pascale, samt Haushund Dudu`. Nach jahrelanger Zwangspause hat Silvio Berlusconi wieder seinen Lieblingsort zurückerobert: Der Cavaliere ist wieder im Zentrum des Rampenlichts.
Verjüngt dank chirurgischer Kunstgriffe, perfekt geschminkt und voller Energie tritt er auf. Doch seinen 81 Jahren muss sogar Italiens großer Zampano einen Tribut zollen: Die Ärzte verordneten dem ExPremier nun zwei Tage Ruhe, offenbar machen ihm Kreislaufprobleme zu schaffen. Doch gleich zu Beginn seines Krankenstandes griff der Medienmagnat zum Telefon und ließ wissen: „Es tut mir leid, wenn ich meine Gegner enttäusche: Mir geht es gut. Ich brauche nur eine kleine Pause, dann geht der Wahlkampf weiter.“
Den Ton in der politischen Auseinandersetzung gibt inzwischen Berlusconi an – und er wird auch nach der Parlamentswahl am 4. März der Zukunft Italiens seinen Stempel aufdrücken. Laut einer Umfrage der Tageszeitung „Repubblica“kann die Allianz zwischen Berlusconis Partei, Forza Italia, der ausländerfeindlichen Lega Nord und der rechtspopulistischen Partei Frattelli d’Italia derzeit mit den meisten Stimmen rechnen.
Berlusconi, der wegen seiner Justizprobleme die letzten sechs Jahre vor allem aus dem Hintergrund agierte, ist also wieder offiziell Teil der höchsten Machtzirkel. Diesmal wird er zwar nicht Premier – in den vergangenen 20 Jahren führte er bereits vier Regierungen an; wegen seiner Steuerdelikte bleibt ihm das Amt bis 2019 versperrt. Berlusconi hat aber in diesem hochpersonalisierten Wahlkampf schon deutlich gemacht: Er selbst wird bei einem Sieg das Sagen haben, ganz unabhängig davon, wen er als Regierungschef einsetzen wird. Und auch wenn die Stimmen doch nicht für eine MitteRechts-Mehrheit reichen sollten, könnte Berlusconi mitbestimmen: Hartnäckig halten sich Gerüchte über einen geheimen Pakt mit seinem Rivalen, Matteo Renzis Linksdemokraten.
Im Ausland fragen sich viele: Was ist das Geheimnis der politischen Wiederauferstehung des Lazarus Berlusconi? Eine geläufige Antwort darauf lautet: Seine ausständigen Prozesse sind vielen Wählern egal, sie haben ohnehin kein Vertrauen ins italienische Rechtssystem. Dass Italien 2011 unter Berlusconi nur knapp dem Staatsbankrott entging, wird „internationalen Spekulanten“und unfairen, „teutonischen“EU-Sparregeln in die Schuhe geschoben.
Und Berlusconis Callgirl-Skandale werden oft als hysterische Reaktion klischeeverliebter Auslandsmedien abgetan. Bezeichnend ist die Antwort von Emilio Fede, Berlusconis Lieblingsjournalisten: „Mein Gott, wie langweilig sind doch diese ewigen Geschichten über Bunga-Bunga!“
Und tatsächlich – die BungaBunga-Phase ist passe.´ Berlusconi wäre nicht Berlusconi, wenn er sich auch diesmal nicht den Umfragen angepasst und neu erfunden hätte: Das einstige Image als volksnahes Schlitzohr hat er abgelegt, nun gibt er erfolgreich den weisen Staatsmann und treuen Partner seiner Francesca, eine Art „Großvater der Nation“. Sein Zielpublikum ist die Wählerschaft 50 Plus, unter der er im rasant alternden Italien auch die größte Anhängerschaft hat. Deshalb bleibt das Fernsehen auch wichtigste PR-Plattform.
Zwar verspricht Berlusconi weiterhin ein finanzielles Dorado – unter anderem hat er eine Flat-Tax im Programm, die im hochverschuldeten Italien unfinanzierbar wäre. Zugleich gibt er betont den moderaten, liberalen Pro-Europäer: Vergessen sind die Tiraden gegen Brüssel, den Euro und den Maastricht-Pakt. Der neue Berlusconi bekennt sich sogar zur DreiProzent-Defizitgrenze und nimmt dafür auch einen Streit mit dem Bündnispartners, der euroskeptischen Lega Nord, in Kauf.
Berlusconi, der in der Vergangenheit Kritiker und Gegner gern als „Kommunisten“beschimpfte, hat nun einen neuen Lieblingsfeind: Er verpasst keine Gelegenheit, um vor den „Gefahren“der radikalpopulistischen „Fünf-Sterne-Bewegung“des Komikers Beppe Grillo zu warnen. Die „Grillini“sind derzeit stimmenstärkste Einzelpartei in Umfragen.
Auch bei seinem Besuch in Brüssel vergangene Woche präsentierte sich Berlusconi als moderate Alternative zu den „gefährlichen, europafeindlichen Grillini“. Mit Erfolg: In seiner Europäischen Volkspartei (EVP) wurde der Ex-Premier als „großer Staatsmann, der keine Rehabilitation braucht“, gewürdigt.