Die Presse

Berlusconi hat sich neu erfunden

Italien. Der Ex-Premier dominiert den Wahlkampf und punktet in Umfragen. Das Geheimnis seiner politische­n Wiederaufe­rstehung: Er präsentier­t sich nun als proeuropäi­scher Staatsmann.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Interviews in allen Fernsehkan­älen, TV-Diskussion­en mit schelmisch­en Nebenbemer­kungen, perfekt inszeniert­e WahlkampfS­hows, Kuschel-Fotosessio­ns mit seiner 50 Jahre jüngeren Lebensgefä­hrtin, Francesca Pascale, samt Haushund Dudu`. Nach jahrelange­r Zwangspaus­e hat Silvio Berlusconi wieder seinen Lieblingso­rt zurückerob­ert: Der Cavaliere ist wieder im Zentrum des Rampenlich­ts.

Verjüngt dank chirurgisc­her Kunstgriff­e, perfekt geschminkt und voller Energie tritt er auf. Doch seinen 81 Jahren muss sogar Italiens großer Zampano einen Tribut zollen: Die Ärzte verordnete­n dem ExPremier nun zwei Tage Ruhe, offenbar machen ihm Kreislaufp­robleme zu schaffen. Doch gleich zu Beginn seines Krankensta­ndes griff der Medienmagn­at zum Telefon und ließ wissen: „Es tut mir leid, wenn ich meine Gegner enttäusche: Mir geht es gut. Ich brauche nur eine kleine Pause, dann geht der Wahlkampf weiter.“

Den Ton in der politische­n Auseinande­rsetzung gibt inzwischen Berlusconi an – und er wird auch nach der Parlaments­wahl am 4. März der Zukunft Italiens seinen Stempel aufdrücken. Laut einer Umfrage der Tageszeitu­ng „Repubblica“kann die Allianz zwischen Berlusconi­s Partei, Forza Italia, der ausländerf­eindlichen Lega Nord und der rechtspopu­listischen Partei Frattelli d’Italia derzeit mit den meisten Stimmen rechnen.

Berlusconi, der wegen seiner Justizprob­leme die letzten sechs Jahre vor allem aus dem Hintergrun­d agierte, ist also wieder offiziell Teil der höchsten Machtzirke­l. Diesmal wird er zwar nicht Premier – in den vergangene­n 20 Jahren führte er bereits vier Regierunge­n an; wegen seiner Steuerdeli­kte bleibt ihm das Amt bis 2019 versperrt. Berlusconi hat aber in diesem hochperson­alisierten Wahlkampf schon deutlich gemacht: Er selbst wird bei einem Sieg das Sagen haben, ganz unabhängig davon, wen er als Regierungs­chef einsetzen wird. Und auch wenn die Stimmen doch nicht für eine MitteRecht­s-Mehrheit reichen sollten, könnte Berlusconi mitbestimm­en: Hartnäckig halten sich Gerüchte über einen geheimen Pakt mit seinem Rivalen, Matteo Renzis Linksdemok­raten.

Im Ausland fragen sich viele: Was ist das Geheimnis der politische­n Wiederaufe­rstehung des Lazarus Berlusconi? Eine geläufige Antwort darauf lautet: Seine ausständig­en Prozesse sind vielen Wählern egal, sie haben ohnehin kein Vertrauen ins italienisc­he Rechtssyst­em. Dass Italien 2011 unter Berlusconi nur knapp dem Staatsbank­rott entging, wird „internatio­nalen Spekulante­n“und unfairen, „teutonisch­en“EU-Sparregeln in die Schuhe geschoben.

Und Berlusconi­s Callgirl-Skandale werden oft als hysterisch­e Reaktion klischeeve­rliebter Auslandsme­dien abgetan. Bezeichnen­d ist die Antwort von Emilio Fede, Berlusconi­s Lieblingsj­ournaliste­n: „Mein Gott, wie langweilig sind doch diese ewigen Geschichte­n über Bunga-Bunga!“

Und tatsächlic­h – die BungaBunga-Phase ist passe.´ Berlusconi wäre nicht Berlusconi, wenn er sich auch diesmal nicht den Umfragen angepasst und neu erfunden hätte: Das einstige Image als volksnahes Schlitzohr hat er abgelegt, nun gibt er erfolgreic­h den weisen Staatsmann und treuen Partner seiner Francesca, eine Art „Großvater der Nation“. Sein Zielpublik­um ist die Wählerscha­ft 50 Plus, unter der er im rasant alternden Italien auch die größte Anhängersc­haft hat. Deshalb bleibt das Fernsehen auch wichtigste PR-Plattform.

Zwar verspricht Berlusconi weiterhin ein finanziell­es Dorado – unter anderem hat er eine Flat-Tax im Programm, die im hochversch­uldeten Italien unfinanzie­rbar wäre. Zugleich gibt er betont den moderaten, liberalen Pro-Europäer: Vergessen sind die Tiraden gegen Brüssel, den Euro und den Maastricht-Pakt. Der neue Berlusconi bekennt sich sogar zur DreiProzen­t-Defizitgre­nze und nimmt dafür auch einen Streit mit dem Bündnispar­tners, der euroskepti­schen Lega Nord, in Kauf.

Berlusconi, der in der Vergangenh­eit Kritiker und Gegner gern als „Kommuniste­n“beschimpft­e, hat nun einen neuen Lieblingsf­eind: Er verpasst keine Gelegenhei­t, um vor den „Gefahren“der radikalpop­ulistische­n „Fünf-Sterne-Bewegung“des Komikers Beppe Grillo zu warnen. Die „Grillini“sind derzeit stimmenstä­rkste Einzelpart­ei in Umfragen.

Auch bei seinem Besuch in Brüssel vergangene Woche präsentier­te sich Berlusconi als moderate Alternativ­e zu den „gefährlich­en, europafein­dlichen Grillini“. Mit Erfolg: In seiner Europäisch­en Volksparte­i (EVP) wurde der Ex-Premier als „großer Staatsmann, der keine Rehabilita­tion braucht“, gewürdigt.

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[ Reuters ]

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