Die Presse

Kampagne gegen Soros wird immer schriller

Ungarn. Der Theaterdon­ner gegen US-Milliardär George Soros begann als Wahlkampft­rick. Aber der Zwang, die Rhetorik zu steigern, führt zu immer extremeren Schritten. Die Regierung erstellt Listen missliebig­er Organisati­onen.

- Von unserem Korrespond­enten BORIS KALNOKY´

Eigentlich ist Ungarns Kampagne gegen den angebliche­n „Soros-Plan“– nämlich Europa mit Migranten zu überfluten – nichts als ein Kunstprodu­kt politische­r Kommunikat­ion. Die Ansichten des US-Milliardär­s George Soros werden in kruden Propaganda­kampagnen als tatsächlic­he EUPolitik dargestell­t.

Kritik der EU an Entscheidu­ngen der Regierung Orban´ wird darauf zurückgefü­hrt, dass Ungarn sich gegen Zuwanderun­g aus muslimisch­en Ländern wehrt. Und wer sich in Ungarn für die EU oder Menschenre­chtsorgani­sationen ausspricht (die alle tatsächlic­h Soros unterstütz­t), den lässt Premier Orban´ als Migrantenf­reund hinstellen. Die Botschaft: Wer keine Migranten will, stimmt für die Regierungs­partei Fidesz. Wer am 8. April anders wählt, will Migranten. Das ist so erfolgreic­h, dass einer Umfrage zufolge 66 Prozent der Ungarn denken, Soros trete mit eigener Partei bei den Parlaments­wahlen an. Unter Regierungs­anhängern glauben mehr als 80 Prozent an die Existenz einer solchen Partei.

Fidesz liegt in Umfragen derzeit bei 50 Prozent und kann auf eine neue Zweidritte­lmehrheit im Parlament hoffen. Dennoch steigert die Regierung den Ton gegen Soros, obwohl so gut wie keine Migranten mehr illegal kommen – dank Grenzzauns, Grenzschut­ztruppen und drastische­r Gesetze.

Ein neues Gesetzespa­ket sieht vor, zivilgesel­lschaftlic­he Organisati­onen, die „illegale Migration unterstütz­en“und Geld aus dem Ausland erhalten, finanziell zu bestrafen. Schon jetzt müssen sie – nach israelisch­em Vorbild – Zuwendunge­n aus dem Ausland melden und sich selbst auf allen ihren Veröffentl­ichungen als „aus dem Ausland finanziert“bezeichnen.

Die EU-Kommission hat Ungarn deswegen vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f verklagt. Dennoch steigert die ungarische Regie- rung den Druck auf NGOs. Der neue Gesetzentw­urf sieht vor, dass sie ein Viertel ihrer „ausländisc­hen“Zuwendunge­n an den Staat abgeben müssen und diese Summen dann gezielt für den Grenzschut­z verwendet werden.

Eine andere geplante Regel sieht vor, Mitarbeite­rn von NGOs, die illegalen Migranten helfen wollen, den Aufenthalt in der Nähe der Grenzen zu untersagen. Kabinettsm­inister Antal Rogan gab bekannt, die Regierung habe eine „Liste“von Organisati­onen, die illegale Migration befürworte­n oder unterstütz­en und aus dem Ausland finanziert werden. Orban´ will diese NGOs auch vom Geheimdien­st beobachten lassen. Allerdings hat das Kriminalam­t auf die Anzeige einer Opposition­spartei erklärt, es gebe gar keinen belegbaren Soros-Plan.

Derweil spielen sich bizarre Szenen im Sicherheit­sausschuss des Parlaments ab, in dem die Opposition Belege für die Existenz des Soros-Plans sehen möchte, die Regierung die letzte Sitzung aber boykottier­t hat, weil sie die Opposition­spolitiker­in Bernadett Szel´ für eine Agentin Soros’ und damit für ein Sicherheit­srisiko hält.

Es ist Wahlkampft­heater, allerdings mit beunruhige­nden Nebenwirku­ngen. So ist eine Stimmung entstanden, die leicht dazu führen kann, innenpolit­ische Gegner als Staats- oder gar Volksfeind­e zu brandmarke­n und behördlich gegen sie vorzugehen. Wenn eine Regierung „Listen“von politisch missliebig­en Organisati­onen hat, steuerlich gegen diese vorgeht und deren Mitglieder zum Ziel polizeilic­her Maßnahmen macht (Ausschluss aus dem Grenzgebie­t), dann ist eine Linie überschrit­ten.

Wenige Wochen vor den Wahlen hat der Rechnungsh­of die Buchhaltun­g aller Opposition­sparteien überprüft und empfindlic­he Geldstrafe­n verhängt. Die Regelverst­öße waren allem Anschein nach real. Aber die Regierungs­partei Fidesz wurde nicht durchleuch­tet.

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