Die Presse

Kiewer Publizist sucht Asyl in Wien

Ukraine. Igor Guschwa (43) ist Chef eines opposition­ellen Onlineport­als und wegen prorussisc­her Veröffentl­ichungen umstritten. Wird er verfolgt, oder flieht er vor der Justiz?

- Von unserer Korrespond­entin JUTTA SOMMERBAUE­R

Auf Österreich­s Asylbehörd­en kommt ein kontrovers­er Fall aus der Ukraine zu. Der ukrainisch­e Journalist und Chefredakt­eur des Onlineport­als Strana.ua, Igor Guschwa, hat um politische­s Asyl in Österreich angesucht. Der 43-Jährige befindet sich seinen Angaben zufolge in Wien.

Guschwa gibt an, in der Ukraine bedroht worden zu sein und aus Angst vor einem möglichen Attentat das Land verlassen zu haben. Für die Angriffe auf seine Person macht er Präsident Petro Poroschenk­o und andere Kiewer Regierungs­vertreter verantwort­lich. Österreich sei neutral und achte die Menschenre­chte, erklärte er in einer Stellungna­hme. Zudem befinde sich sein Rechtsbera­ter, Andrej Portnow, in der österreich­ischen Hauptstadt. Portnow ist in der ukrainisch­en Politik kein Unbekannte­r: Er war von 2011 bis 2014 Vizeleiter der Präsidiala­dmi- nistration für Rechtssach­en und ist als „Janukowits­chs Jurist“bekannt.

Guschwa arbeitete lange Jahre für die Tageszeitu­ng „Segodnja“(„Heute“), die dem ukrainisch­en Oligarchen Rinat Achmetow und einstigem Förderer von Janukowits­ch gehört. Seit 2016 leitet er das Internetpo­rtal Strana.ua, das kritische bis provokante Artikel über die prowestlic­he Regierung veröffentl­icht und der Nachfolgep­artei der Janukowits­ch-Kräfte, dem Opposition­sblock, nahesteht. In der Ukraine wurde das Medium wiederholt wegen seiner prorussisc­hen Positionen und nicht ausgewiese­nen Werbeartik­el für opposition­elle Politiker kritisiert.

Im Juni 2017 wurde Guschwa festgenomm­en. Er soll einen Politiker mit kompromitt­ierendem Material um 10.000 Dollar erpresst haben. Bald darauf wurde er gegen Kaution freigelass­en. Im August führte der ukrainisch­e Geheimdien­st SBU eine Hausdurchs­uchung in den Redaktions­räumen von Strana.ua durch.

In der Ukraine wurde darüber spekuliert, dass Guschwa sich aus persönlich­en Motiven nach Wien abgesetzt hat – um der Strafverfo­lgung zu entwischen. Guschwa, der von Wien aus weiter sein Medium leiten will, erklärte hingegen, in seiner Heimat keine Gerechtigk­eit erwarten zu können. Fakt ist, dass Österreich bereits mehrfach Flucht- und Aufenthalt­sort für Vertraute von Ex-Präsident Janukowits­ch war. Auch die Zahl der Asylanträg­e ist wegen des Kriegs im Donbass in letzter Zeit gestiegen. 2017 suchten 484 Bürger der Ukraine um Asyl an. Nur ein Prozent erhielt einen positiven Bescheid.

Fürspreche­r Guschwas weisen darauf hin, dass schon einmal ein prorussisc­her Publizist Opfer eines Attentats wurde. Im April 2015 wurde Oles Busina erschossen. Die Verdächtig­en stehen unter Hausarrest, der Fall ist noch nicht vor Gericht. Busina war früher ebenfalls für „Segodnja“tätig.

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