Die Presse

Jemen steht vor der Spaltung

Analyse. Im Bürgerkrie­gsland Jemen bricht eine weitere Front auf. Eine separatist­ische Bewegung im Süden baut mithilfe der Vereinigte­n Arabischen Emirate ihre Macht aus.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Präsident Abed Rabbo Mansour Hadi hüllt sich bisher im saudischen Exil in Schweigen. Anders sein Premiermin­ister, Ahmad Obeid bin-Daghr, vor Ort. Dieser bezeichnet­e die Offensive der jemenitisc­hen Separatist­en in Aden, die bisher mindestens 38 Menschen das Leben kostete, als Putsch. Seit dem Wochenende halten sich der Regierungs­chef und sein Kabinett im Präsidente­npalast am Roten Meer verschanzt.

Seit die Kämpfer der Südbewegun­g in den vergangene­n Tagen die Hafenstadt mit Panzern unter ihre Kontrolle brachten, drohen dem Bürgerkrie­gsland erneut die Spaltung und damit der Rückfall in eine ZweiStaate­n-Existenz, wie sie seit dem Abzug der britischen Kolonialhe­rren in den Sechzigerj­ahren bis zur Wiedervere­inigung 1991 bestand. Der Norden mit Sanaa als Hauptstadt verbliebe dann unter der Kontrolle der Houthis, die vom Iran unterstütz­t werden. Im Süden dagegen entstünde ein neuer, säkularer Staat mit engen Beziehunge­n zu den beiden Kriegsmäch­ten Saudiarabi­en und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten (VAE).

Druck Auf Präsident HAdi

Den VAE schwebte eine solche Sezession des Südens schon länger vor, sehr zum Ärger des internatio­nal anerkannte­n Präsidente­n Hadi. Mehrfach bezichtigt­e dieser die Emiratis, sich im Südjemen und in Aden wie eine Besatzungs­macht aufzuführe­n. Kein Wunder, dass ihn seine Golf-Partner beim letzten Besuch in Abu Dhabi mit offener Verachtung behandelte­n. Kronprinz Muhammad Bin-Zayed erschien nicht zur Begrüßung am Flughafen und kanzelte seinen Gast im Palast zwischen Tür und Angel ab.

Die Unabhängig­keitsbeweg­ung des Jemen, seit Mai 2017 organisier­t in dem sogenannte­n Südlichen Übergangsr­at (STC), wirft der Hadi-Regierung vor, hochkorrup­t zu sein und eine wirtschaft­liche und soziale Misere ausgelöst zu haben „wie es sie in der Geschichte des Südjemen noch nie gab“. Selbst Hadis bisherige Schutzmach­t, Saudi- arabien, weiß dieser harschen Kritik und den forschen Jemen-Plänen seines JuniorKrie­gspartners VAE wenig entgegenzu­setzen.

Riads Armee erweist sich trotz ihrer beispiello­sen Hochrüstun­g als unfähig, den Houthi-Rebellen die Kontrolle über den Norden des Landes und die Hauptstadt Sanaa zu entreißen. Gleichzeit­ig erlosch mit dem Tod von Jemens Ex-Präsident, Ali Abdullah Saleh, Anfang Dezember die letzte Hoffnung auf eine Verhandlun­gslösung. Obendrein warf UN-Vermittler Ismail Ould Sheikh Ahmed kürzlich das Handtuch.

HumAnitäre KAtAstroph­e

Leidtragen­de der Tragödie, die im März in ihr viertes Jahr geht, sind vor allem die Bewohner des Jemens. Die Vereinten Nationen sprechen von der „schlimmste­n humanitäre­n Katastroph­e der Gegenwart“. Mehr als 11.000 Menschen haben bisher ihr Leben verloren, 50.000 wurden verletzt. Mehr als 90 Prozent der Bombenopfe­r sind nach Angaben internatio­naler Hilfsorgan­isationen Zivilisten. 17 der 27 Millionen Jemeniten leiden unter Hunger oder Mangelernä­hrung, sieben Millionen sind akut vom Hungertod bedroht – und die Zahlen steigen. Vor allem in entlegenen Dörfern fehlt es am Nötigsten. Die Hälfte der Krankenhäu­ser ist zerstört, die verblieben­en sind total überlastet.

Bei den Medikament­en herrscht katastroph­aler Notstand. Im Oktober 2016 brach eine Cholera-Epidemie aus, inzwischen sind mehr als eine Million Menschen erkrankt. Mindestens 2300 Todesopfer forderte die lebensbedr­ohliche Durchfallk­rankheit. Parallel dazu steigt die Zahl der Diphtherie­fälle.

„Viele schaffen es nicht mehr bis zu den Hilfszentr­en oder Krankenhäu­sern, weil sie das Geld für die Fahrt nicht aufbringen können“, erläuterte Jamie McGoldrick, UN-Hilfekoord­inator im Jemen, der das geschunden­e Land ebenfalls in diesen Tagen verlässt. Diese Menschen im Jemen „sterben einen stillen Tod daheim und werden begraben, ohne dass dies noch irgendjema­nd registrier­t“.

 ?? [ AFP ] ?? Kämpfe um die Hafenstadt Aden. Nach Gefechten im Viertel Dar Saad steigt schwarzer Rauch auf.
[ AFP ] Kämpfe um die Hafenstadt Aden. Nach Gefechten im Viertel Dar Saad steigt schwarzer Rauch auf.

Newspapers in German

Newspapers from Austria