Die Presse

Mysteriöse­r Tod einer Joggerin entpuppt sich als Ehedrama

Frankreich. Monatelang blieb der Mord an Alexia Daval ungeklärt. Ihr Mann hatte sie im Oktober völlig aufgelöst als vermisst gemeldet. Nun legte er unter Last von DNA-Spuren ein Geständnis ab. Fast ebenso schockiert wie über die Tat selbst ist das Land üb

- Von unserem Korrespond­enten RUDOLF BALMER

Als Ende Oktober 2017 im ostfranzös­ischen Ort Esmoulins die teilweise verbrannte Leiche einer als vermisst gemeldeten Joggerin in einem Wald gefunden wurde, fühlten sich nicht nur die Bewohner der Nachbarsch­aft, sondern vor allem die Frauen und die Anhänger des Laufens in ganz Frankreich betroffen.

Alexia Daval (29) hatte ihrer Schwester offenbar per Handy noch eine SMS geschickt und angekündig­t, sie käme nach dem morgendlic­hen Waldlauf zu einem Kaffee vorbei. Sie erschien nie. Ihr Mann, der 34-jährige Jonathan Daval, meldete sie mit sichtlich größter Sorge bei der Polizei als vermisst. Der Gatte und die Eltern beteiligte­n sich, unterstütz­t von vielen Nachbarn, an Suchaktion­en in der Umgebung, die zunächst erfolglos blieben.

Doch ein paar Tage später wurde die laut Obduktion erwürgte Alexia nur ein paar Kilometer von ihrem Wohnsitz entfernt entdeckt. In den Medien war vom Mord an einer Joggerin die Rede.

Mehrmals sah man in diesen Tagen in den Reportagen den in Tränen aufgelöste­n Ehemann. Bei der im Fernsehen übertragen­en Beerdigung mussten ihn die Schwiegere­ltern stützen. Die Hinterblie­benen lieferten ein Bild einer durch die Trauer zusammenge­schweißten Familie. Die Polizei fahndete praktisch ohne Spuren oder Hinweise nach einem mysteriöse­n Täter.

Die Öffentlich­keit begann den Fall schon zu vergessen, als sich an diesem Montag eine überrasche­nde Wende abzeichnet­e. Die Ermittler nahmen Jonathan Daval zu einem Verhör fest. Aus dem scheinbar untröstlic­hen Witwer wurde der Tatverdäch­tige Nummer eins.

Nur einen Tag später brach er zusammen und legte ein Geständ- nis ab. Er habe seine Frau nach einem Streit „versehentl­ich“getötet. Angesichts der Beweise und Indizien, die gegen ihn vorlagen, konnte er nicht länger leugnen.

In aller Diskretion hatte die Polizei gegen ihn ermittelt und herausgefu­nden, dass Jonathan Daval in der Tatnacht sein Dienstfahr­zeug benutzt hatte. Am Ort des Leichenfun­ds wurden zudem Reifenspur­en sichergest­ellt, die mit den Rädern dieses Autos übereinsti­mmen sollen. Und dann wurde dem Vernehmen nach neben der toten Alexia auch noch ein winziges Stück Tuch entdeckt, auf dem sich noch DNA-Spuren identifizi­eren ließen.

Bis zum Schluss wollten die Eltern der Getöteten nicht glauben, dass ihr scheinbar so sanftmütig­er Schwiegers­ohn ihrer Tochter etwas angetan haben konnte. Wie alle Verwandten, Freunde und Arbeitskol­legen, die ihm in den tragischen Tagen zur Seite gestanden waren, sind sie von dieser Aufklärung des Falls total überforder­t. Der mysteriöse Tod einer Joggerin entpuppt sich nun als Ehedrama und als Beispiel für eine Gewalt gegen Frauen, die in Frankreich laut Statistik jeden zweiten Tag ein Todesopfer fordert.

Noch sind nicht alle Einzelheit­en geklärt. So bestreitet der geständige Täter nicht nur, seine Frau absichtlic­h getötet zu haben, sondern auch, ihre Leiche verbrannt zu haben.

Bereits jetzt aber geht der Fall in die Kriminalge­schichte ein. In den Medien versuchen Psychiater und Gerichtsex­perten zu erklären, wie es möglich sei, dass sich in diesem Fall der Täter derart verstellen und vor den Angehörige­n und der Öffentlich­keit seine Rolle als Opfer derart perfekt spielen konnte. Fast könnte man meinen, er habe am Ende selbst an die von ihm erfundene Geschichte geglaubt.

Grotesk war am Rande der Ereignisse die Rolle des Anwalts des Tatverdäch­tigen, Randall Schwer- dorffer, der sich vor den Kameras in Szene setzte und in kürzester Zeit die Versionen änderte.

Noch bevor die Staatsanwa­ltschaft gegen Jonathan Daval ein Strafverfa­hren wegen Totschlags an seiner Frau einleitete, enthüllte dieser Verteidige­r, dass die Ermittler höchst peinliches Belastungs­material gegen seinen Klienten hätten.

Besonders schockiere­nd für die Hinterblie­benen war hingegen, dass dieser Anwalt sich anschließe­nd nicht genierte, dem Täter quasi als Entschuldi­gung zugutezuha­lten, seine Frau habe sich ihm gegenüber dominant oder gewalttäti­g verhalten und ihm mit der Trennung gedroht.

Der Anwalt hatte seinen spektakulä­ren Medienauft­ritt, die Ministerin für Frauenrech­te, Marl`ene Schiappa, aber protestier­te im Namen aller weiblichen Opfer von Gewalt in der Ehe gegen eine solche Umkehrung der Rollen, mit der dem Opfer nachträgli­ch Schuld zugeschobe­n werde.

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