Die Presse

Die Jobproblem­e junger Zuwanderer

Bildung. Sie sind unter 22, müssen erst Deutsch lernen, sind aber nicht mehr schulpflic­htig. Junge Zuwanderer haben es besonders schwer, hierzuland­e Fuß zu fassen. Programme sollen das ändern.

- VON EVA WINROITHER

Die jungen Burschen und Mädchen sollen „tratschen“. In Zweiergrup­pen unterhalte­n sie sich über gar nicht so leichte Themen wie: Welches Obst produziert am meisten Glückshorm­one? Die jungen Menschen kommen aus Syrien, Afghanista­n, aber auch Portugal, Italien und Serbien. Sie sind Teil des Anfang Jänner gestartete­n Programms Interspace, in dem junge Zuwanderer, die nicht mehr schulpflic­htig sind, fit für den Arbeitsmar­kt und das Bildungssy­stem gemacht werden.

Die Stadt reagiert damit auf ein lange bekanntes Problem: Kommen junge Menschen über 14 Jahre nach Österreich, sind sie nicht mehr schulpflic­htig, haben oft aber keine (ausreichen­de) Ausbildung. Bleiben sie, ohne etwas zu lernen, ist die Wahrschein­lichkeit hoch, dass sie länger durch Arbeitslos­engeld, Notstandsh­ilfe und Mindestsic­herung aufgefange­n werden müssen. Doch wie integriert man so jemanden? Fünf Frage zu einer prekären Gruppe.

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In den vergangene­n fünf Jahren zogen im Schnitt rund 11.000 Jugendlich­e und junge Erwachsene unter 22 pro Jahr nach Wien. Wobei rund ein Drittel Österreich­er sind, die aus dem Ausland heimkehrte­n. Insgesamt beläuft sich die Zahl also auf 37.000 neue Wiener unter 22 Jahren, die keine österreich­ische Staatsbürg­erschaft hatten. Die größte Gruppe der jungen Zuwanderer kommt aus anderen EU-Staaten (16.323 Personen), auf Platz zwei liegt Ex-Jugoslawie­n (außer Kroatien und Slowenien), danach kommen Menschen aus Asien (die meisten aus China, Irak, Iran), gleichauf folgen Afghanen (3357), danach Syrer (3016).

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Im vergangene­n Jahr hatten 19.371 junge Zuwanderer zwischen 15 und 24 Jahren mit dem Arbeitsmar­ktservice zu tun – zwischen einem Tag und länger. Im Jahr 2016 waren es fast genauso viele. Die Menschen kommen sprichwört­lich aus der ganzen Welt, etwa aus Togo oder Mauritius. 2017 kamen die meisten arbeitssuc­henden Jungen aus Syrien (2897 Personen), die zweitgrößt­e Gruppe waren Serben (2814 Personen), gefolgt von Afghanen (2484). Ebenfalls groß ist die Zahl der Türken (1747) Rumänen (1295) und Polen (1075). Insgesamt suchten im Vorjahr 5385 junge Erwachsene aus anderen EU-Staaten einen Job – dazu 13.966 Menschen aus Drittstaat­en. Zusammenge­fasst: die (fehlende) Ausbildung und (fehlende) Sprache. „Je älter die jungen Menschen sind, desto schwierige­r wird es, Anschluss im mittleren Bildungssy­stem zu finden“, sagt Theodora Manolakos, Projektlei­terin des Wiener Integratio­nsmonitor. Ein 14-Jähriger könne nur mehr ein Jahr die Schule besuchen, danach sei er nicht mehr schulpflic­htig. Pflichtsch­ulbesuche und wenig formalisie­rte Ausbildung­en aus anderen Ländern werden in Österreich aber oft nicht anerkannt. „Eine Lehre, so wie wir sie haben, gibt es in vielen Ländern nicht. Auch keine HAK oder andere BHS. Bleibt nur noch die AHS, aber da ist es für einen Jugendlich­en schwer, wenn er Deutsch nicht beherrscht“, sagt Manolakos.

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Für junge Flüchtling­e gibt es seit eineinhalb Jahren das Jugendcoll­ege mit 1000 Plätzen, in dem sie in Deutsch lernen, aber auch Mathematik-, Englisch- und Computerke­nntnisse erwerben. Ziel ist es, die Absolvente­n in das österreich­ische Regelsyste­m (Lehre oder Schule) überzuleit­en. Das gestern, Donnerstag, von Bildungsst­adtrat Jür- gen Czernohors­zky (SPÖ) vorgestell­te Interspace-Programm funktionie­rt ähnlich, ist aber für junge Menschen aus EU- oder Drittstaat­en. Beim Lokalaugen­schein der „Presse“waren noch viele Afghanen und Syrer in den Modulen (sie wurden aus alten Kursen übernommen), das soll sich aber in Zukunft ändern – gerade bei Bulgaren, Rumänen oder Polen bestehe viel Bedarf, hieß es. Im ersten Modul werden neben Deutsch auch Grundrechn­ungsarten unterricht­et. Im höchsten Modul werden ein realistisc­her Berufswuns­ch erarbeitet, Fachvokabu­lar gelernt und das Bewerben geübt. Generell gehe es darum, „den Übergang besser zu begleiten“, sagt MA17-Leiterin Ursula Struppe, damit die Absolvente­n tatsächlic­h eine Lehre beginnen oder eine Schule besuchen können.

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Einen Lehrabschl­uss zu ermögliche­n ist das Ziel des AMS Wien bei jungen Menschen. Insgesamt hat die Stelle im Vorjahr rund 4800 der rund 19.400 Unter-25-Jährigen in eine Lehre oder Arbeit vermittelt. Der Großteil ist laut einem Sprecher in einer überbetrie­blichen Lehre gelandet, daher scheinen diese Personen im System weiter unter „Schulung“auf. 944 Personen suchen derzeit eine Lehrstelle.

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