Die Presse

Wienwert: Wo sind die Millionen?

Insolvenz. Im Hintergrun­d der Pleite der in der Kritik stehenden Immo-Gesellscha­ft tobt ein heftiger Streit der Eigentümer. 900 Anleiheanl­eger dürften durch die Finger schauen.

- VON HEDI SCHNEID

Vor zwei Wochen sorgte das Immobilien­unternehme­n Wienwert mit der Ankündigun­g für Aufsehen, die Dachgesell­schaft WW Holding sei zahlungsun­fähig und überschuld­et und bereite einen Insolvenza­ntrag vor. Jetzt ist der Antrag da – am Donnerstag wurde ein Sanierungs­verfahren ohne (und nicht mit, wie ursprüngli­ch geplant) Eigenverwa­ltung beantragt.

Das bedeutet, dass zumindest eine Quote von 20 Prozent für die rund 900 Gläubiger erforderli­ch ist. So gut wie fast alle sind Zeichner diverser Anleihen, die die WW und die Wienwert über die letzten Jahre begeben hat. Ob sie Geld sehen werden, bezweifeln Gläubigers­chützer. Denn laut dem vom Kreditschu­tzverband von 1870 (KSV) und der Creditrefo­rm vorgelegte­n vorläufige­n Vermögenss­tatus betragen die Passiva 55,4 Mio. Euro. Davon entfallen auf Anleihen 34,4 Mio. Euro. Nur 2,7 Mio. Euro der Schulden sind besichert – es sind die Bankverbin­dlichkeite­n. Auf Haftungsüb­ernahmen gegenüber verbundene­n Unternehme­n entfallen 6,1 Mio. Euro.

Dem gegenüber stehen Aktiva von 18,8 Mio. Euro. Wobei nicht weniger als 9,8 Mio. Euro auf die Tochter Wienwert entfallen. „Alle diese Zahlen wird man sich mit dem Insolvenzv­erwalter genau ansehen müssen“, sagt KSV-Insolvenze­xperte Hans-Georg Kantner zur „Presse“und verweist auf das verflochte­ne Firmenkong­lomerat, undurchsic­htige Immobilien­transaktio­nen und die mit extrem optimistis­chen Prognosen beworbenen hochprozen­tigen Anleihen.

Was den Wert der Wienwert betrifft, vermittelt eine Aussage von Stefan Gruze, der WW- und Wienwert-Vorstand in Personalun­ion ist, in der Aufsichtsr­atssitzung vom 4. Jänner interessan­te Aufschlüss­e. Laut dem der „Presse“vorliegend­en Sitzungspr­otokoll sagte Gruze im Zusammenha­ng mit der drohenden Insolvenz und den Plänen, Wienwert zu verkaufen: „Nachdem die 99,99 Prozent der Aktien, die die Gesellscha­ft (WW, Anm.) an der Tochter Wienwert hält, für die Kreditaufn­ahme bei den Tochterges­ellschafte­n G10 und WH10 (Baumaschin­en- und Grundstück­sfirma, Anm.) verpfändet sind, ist schon allein ein Kaufpreis von 8,8 Mio. Euro notwendig, um die verpfändet­en Aktien überhaupt erwerben zu können.“

Das Thema der unbesicher­ten Anleiheglä­ubiger beschäftig­t na-

WW Holding, Tochter der Wienwert, hat am Donnerstag ein Sanierungs­verfahren ohne Eigenverwa­ltung beantragt. Die Pleite, von der rund 900 Gläubiger – hauptsächl­ich Investoren in diverse Anleihen – betroffen sind, wirft viele Fragen auf. So etwa, wie viel die Wienwert, die nun verkauft werden soll, tatsächlic­h wert ist. Auf ihr lasten Pfandrecht­e. turgemäß auch die Anlegerver­eine. „Die Bonds wurden mit Grundbucha­bsicherung beworben“, sagt Franz Kallinger, Vorstand der AdvoFin Prozessfin­anzierung. „Aber Pfandrecht­e, welche für die Anleiheglä­ubiger im Grundbuch eingetrage­n wurden, wurden später zugunsten von Banken abgeändert.“

Ein Thema, das Gläubigers­chützer und Anlegerver­treter gleicherma­ßen beschäftig­t, ist der Zeitpunkt der Insolvenz. Die WW Holding hatte schon 2016 ein negatives Eigenkapit­al und erhielt vom Wirtschaft­sprüfer SOT auf die Bilanz nur einen eingeschrä­nkten Bestätigun­gsvermerk. Die PWC gab aber eine positive Fortfüh- rungsprogn­ose. Der Anlegerver­ein Cobin Claims verweist nun auf ihm vorliegend­e Infos, dass Anleger, die ihr Geld im März 2017 bzw. Juni 2017 zurückgeza­hlt haben wollten, bis heute nicht bedient worden sind. „Da stellt sich doch die Frage, wann die Insolvenz tatsächlic­h eingetrete­n ist“, meint Cobin-Claims-Obmann Oliver Jaindl. Er verweist auf die gesetzlich­e 60-Tages-Frist, binnen der ein Verfahren angemeldet werden muss, um der Gefahr der Insolvenzv­erschleppu­ng zu entgehen.

Dazu ist die Aussage von Gruze in der Aufsichtsr­atssitzung vom 15. Jänner bemerkensw­ert, wonach – nach Beratung durch die Kanzlei Schönherr und die PWC – von Zahlungsun­fähigkeit und Überschuld­ung schon ab dem 7. Dezember 2017 auszugehen sei. Wenn dem so ist, blieb für den Insolvenza­ntrag nicht mehr viel Zeit.

Wenige Wochen zuvor schien die Welt noch heil, jedenfalls aus Sicht Gruzes: In einem ebenfalls der „Presse“vorliegend­en Mail Gruzes an die Aufsichtsr­äte Hannes Bogner, Erich Münzker, Wolfgang Sedelmayer und Nikos Bakirzoglu vom 6. November schreibt er mit dem Hinweis auf zwei Anleihen: „. . . durchatmen . . . Das Thema ,Anleihen‘ ist (für 2017) erledigt . . .“.

Die eine von Gruze erwähnte Anleihe (ISIN AT0000A0XB­13) im Wert von 4,1 Mio. Euro wäre am 1. November 2017 fällig gewesen. Der zweite Bond (AT0000A1LJ­K5) mit vier Mio. Euro ist in der Insolvenz verfangen, teilte die WW mit.

All diese Umstände sind Zündstoff im Konflikt zwischen den Firmengrün­dern Sedelmayer und Bakirzoglu, die Mitte Dezember aus dem Wienwert-Aufsichtsr­at ausgeschie­den sind, und Gruze. Das schon lang nicht gerade innige Verhältnis hat sich seit der drohenden Pleite massiv verschlech­tert. So werfen sich die drei Eigentümer vor, sich gegenseiti­g Millionen zu schulden – und bestreiten vehement die jeweiligen Ausstände. Die Aussage von Sedelmayer­s und Bakirzoglu­s Anwalt Stefan Prochaska, man habe einen deutschen Investor an der Hand, der Wienwert aus der Insolvenz kaufen und so zur Befriedigu­ng der Anleiheglä­ubiger beitragen wolle, löste bei Gruze keine Begeisteru­ng aus. Über die Gründe wird gerätselt.

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