Die Presse

Macht schlichtes Stehen schlank und rank?

Dass wir täglich fast sieben Stunden sitzen, könnte mit zur Epidemie der Fettleibig­keit beitragen.

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„[Mit geistiger Trägheit verbundene] Ausdauer bei einer sitzenden Tätigkeit.“So definiert der Duden, was wir mit „Sitzfleisc­h“meinen, es könnte aber noch eine viel banalere Bedeutung haben: Die, dass zu viel Leibesfüll­e damit zu tun hat, dass die meisten von uns den lieben langen Tag im Sitzen verbringen, in den USA sind es sieben Stunden, in Europa etwas weniger. Das kann Fleisch ansetzen bzw. Fett. Und das hat das Sitzen in den letzten Jahren in Verruf gebracht: Es trage seinen Teil zur Epidemie der Fettleibig­keit bei, und auch zu deren Folgen, HerzKreisl­auf-Krankheite­n und Diabetes.

Empfohlen wurde zunächst Bewegung, und zwar eher kräftige, „moderate to vigorous activities“heißt die auf Englisch. Aber viele Menschen können sich nicht zum Joggen etc. aufraffen, andere haben keine Gelegenhei­t dazu. Deshalb wurde alternativ eine Empfehlung entwickelt, die „NEAT“heißt, es ist ein Akronym für „Non-exercise activity thermogene­sis“und bedeutet im Englischen zugleich „gepflegt“und „hübsch“.

Der Königsweg dazu ist das Stehen, sein Segen wurde schon in vielen Studien belegt, Francisco Lopez-Gimenez (Mayo Klinik) hat 46 nun einer Metaanalys­e unterworfe­n: Die zeigte, dass in jeder Minute, die im Stehen verbracht wird statt im Sitzen, 0,15 Kilokalori­en mehr verbrannt werden. Das klingt nicht überwältig­end, summiert sich aber für eine 65-Kilo-Person über sechs Stunden am Tag auf 54 kcal und bringt über das Jahr gerechnet – falls nicht mehr gegessen wird – eine Gewichtser­sparnis von 2,5 Kilo (Preventive Cardiology 31. 1.).

Wie das zugeht, ist nicht recht klar, und ob Stehen nur Segen bringt oder auch Probleme für Rücken und Beine, ist es auch nicht. Sicher hingegen ist, dass der Wert eher konservati­v angesetzt ist, weil in den Studien das Sitzen mit dem Stillstehe­n verglichen wurde. Für gewöhnlich steht man aber nicht still, wenn man steht: „Die Menschen machen dann spontane Bewegungen, verlagern das Gewicht, gehen hin und her“, erklärt Lopez-Gimenez, der das Büroarbeit­en oder Zeitungles­en im Stehen vor allem Männern empfiehlt: Bei ihnen ist der Effekt doppelt so groß wie bei Frauen. Das liegt vermutlich daran, dass bei ihnen der Anteil der Muskeln am Körper größer ist.

Für beide Geschlecht­er hingegen gilt, dass Stehen sich nicht nur auf das Gewicht auswirkt: „Stehen verbrennt nicht nur mehr Kalorien, die zusätzlich­e Muskeltäti­gkeit ist auch mit geringeren Raten von Herz- und Hirnschlag und Diabetes verbunden“, schließt Lopez-Gimenez. (jl)

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