Die Presse

Auch Graugänse legen im Winter einen Spargang ein

Biologie. Wenn es kalt wird und die Tage kürzer werden, reagieren große Vögel wie große Säugetiere: Sie fahren die Körpertemp­eratur und die Herzfreque­nz herab. Das haben heimische Forscher an Nachkommen der Graugänse gemessen, die Konrad Lorenz ins Almtal

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Wenn der Winter kommt, ziehen sich viele Säugetiere in einen langen Schlaf zurück und kühlen dabei aus, vor allem kleine tun es. Aber auch große legen in der Kälte und angesichts der knappen Ressourcen einen Spargang ein, fahren die Körpertemp­eratur herab – in der Peripherie, die wird weniger empfindlic­h gegen Kälte – und den Herzschlag auch. Sie fressen dann auch weniger, selbst wenn genug Futter da ist, der Wildbiolog­e Walter Arnold (Vet-Med Wien) hat es an Rothirsche­n und Wildpferde­n bemerkt. Und wie halten es die anderen, die auch endotherm sind, sich selbst heizen, die Vögel?

Von denen begibt sich auch einer – die Winternach­tschwalbe – in einen Winterschl­af, bei den anderen vermutet man, dass die Reaktion auf die Jahreszeit an der Körpergröß­e hängt: Kleine erhöhen im Winter ihren Stoffwechs­el, größere fahren ihn herab. Aber bei kleinen ist das Messen schwierig, und viele ziehen im Winter in den Süden. Manche der Großen tun das auch, andere bleiben, etwa die Nachkommen der Graugänse, die Konrad Lorenz mit nach Grünau ins Almtal brachte. Sie leben frei und sind halb zahm, an ihnen wurde schon viel erkundet, etwa von Kurt Kotrschal, dem langjährig­en Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungs­stelle. Der hat sich nun, zusammen mit Arnold und seiner früheren Studentin Claudia Wascher (Anglia Ruskin University), an den Gänsen den Schwankung­en von Herzfreque­nz und Körpertemp­eratur zugewandt: 15 Gänsen wurde ein Messgerät implantier­t, das 18 Monate lang aufzeichne­te, wie die Herzen schlagen und die Körper geheizt werden.

Generell zeigte sich das gleiche Bild wie bei den Säugetiere­n: Im Winter wird Energie gespart, das Herz schlägt langsamer – um 22 Prozent –, die Körpertemp­eratur sinkt, um ein Grad, in den Nächten stärker. Dahinter müssen genetisch fixierte Programme stehen, an Nahrungsma­ngel liegt es nicht: Die Tiere in Grünau werden gefüttert, es ist immer genug da. Das lässt auch eine Hypothese ausscheide­n, die den Stoffwechs­el der Vögel vom Nahrungsan­gebot abhängig sieht.

Er schwankt mit anderem: Den größten Einfluss hat die Temperatur – vor allem auf Weibchen, sie haben weniger Körperfett –, es folgt der Lichtrhyth­mus bzw. die an ihn gekoppelte­n inneren Uhren. Die sorgen für die Absenkung der Körpertemp­eratur und des Herzrhythm­us, Erstere ist die treibende Kraft, das weiß man aus früheren Untersuchu­ngen. Zum Dritten spielt mit, was gerade vom Himmel kommt: „Die Absenkung passiert teilweise auch bei Sauwetter“, berichtet Kotrschal (Scientific Reports 1. 2.).

Und wenn es dann wieder warm wird im Almtal? Dann kommt alles auf Hochtouren, bei den Weibchen, und dann, wenn sie es brauchen: Im Frühling, wenn die Eier gelegt und bebrütet werden. Männchen helfen dabei nicht, sie werden erst im Herbst richtig aktiv, wenn es darum geht, sich Fett für den nächsten Winter anzufresse­n.

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[ Claudia Wascher]

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