Die Presse

Familienge­richtshilf­e: Wo sind denn die „neutralen Helfer“?

Die seit 2014 agierende Familienge­richtshilf­e funktionie­rt nicht wirklich.

- VON MARGRETH TEWS Margreth Tews ist Lebens- und Sozialbera­terin, Coach und Mediatorin, mit Spezialisi­erung auf Familienre­cht.

Sie sollte die Arbeit der Justiz beschleuni­gen und die Richter entlasten. Tatsächlic­h aber verzögern nicht ausreichen­d qualifizie­rte Personen – Pädagogen, Sozialarbe­iter und Psychologe­n – mehr, als sie den Betroffene­n helfen. Gemeint ist hier die seit 1. Juli 2014 österreich­weit agierende Familienge­richtshilf­e (FamGH). Diese soll die unabhängig­en Gutachter ersetzen.

Schon bei der Ausarbeitu­ng der Details schien das Ziel der Beschleuni­gung ins Hintertref­fen geraten zu sein. Anstelle unabhängig­er Helfer für die Justiz rief man ein Konstrukt ins Leben, das nicht ausreichen­d qualifizie­rte Personen zu Experten macht, Posten schafft, dafür aber die eigentlich erhoffte Transparen­z zur Seite drängt und die Verfahren de facto verlängert!

Kritiker gab es von Anfang an, ihre Hinweise wurden aber geflissent­lich ignoriert. Etwa die Bedenken des Hauptverba­nds der allgemein beeideten und gerichtlic­h zertifizie­rten Sachverstä­ndigen Österreich­s – ein durchaus vertrauens­würdiger und qualifizie­rter Gesprächsp­artner.

Ebenfalls unter den Tisch fallen gelassen wird gern der Kostenfakt­or: Der laufende Betrieb schlägt monatlich mit rund 2,5 Millionen Euro zu Buche. Freilich: Gute Arbeit rechtferti­gt Kosten, massive Mehrbelast­ungen hingegen nicht. Genau diese entstehen aber für die Betroffene­n durch die Befassung der zuständige­n Pädagogen, Sozialarbe­iter und Psychologe­n.

Nicht zuletzt, weil die Tätigkeit der FamGH sehr eingeschrä­nkt ist: „Die einzelfall­bezogene Fachaufsic­ht (!) über die Mitarbeite­r der FamGH obliegt in der Sache selbst dem Richter.“Das heißt: Der Richter als Jurist (!) hat die Fachaufsic­ht über die tätigen Psychologe­n, Pädagogen und Sozialarbe­iter. Die Parteien und Mitarbeite­r der FamGH sind somit vom Richter, als fachfremde­r Person, vollkom- men abhängig. Diese Weisungsge­bundenheit entspricht nicht der eigentlich geplanten unabhängig­en FamGH. Gegen die hehren Ziele des Anfangs spricht auch, die FamGH als Teil der Justiz, welche dennoch vorgibt, „neutrale und unabhängig­e fachliche Stellungna­hmen“abzugeben.

Belegt ist dagegen, dass sich die Mitarbeite­r ihrer Macht sehr bewusst sind: Sie protokolli­eren nicht wörtlich und lückenlos, ignorieren ihnen nicht genehme Stellungna­hmen. Hausbesuch­e dauern nie länger als eine halbe Stunde. Sie erklären, bestimmte Vorgehensw­eisen seien im Gesetz zwar nicht vorgegeben, würden jedoch von ihnen, als Teil der Justiz, so gehandhabt und habe man sie deshalb so zu akzeptiere­n. Vorgegange­n wird nach einer vorgeferti­gten Checkliste. Der spezifisch­e Einzelfall wird der 08/15-Theorie dieser Liste schlicht angepasst, Fakten aus dem Akt werden einfach ignoriert.

Im Übrigen sind einzelne Pädagogen und Sozialarbe­iter auch der Meinung, sie könnten und dürften fallbezoge­n zwar keine medizinisc­hen Gutachten erstellen, aber beurteilen, dass ein solches von einem tatsächlic­h unabhängig­en und qualifizie­rten Sachverstä­ndigen nicht nötig sei. Dies zum Leidwesen eines Rechtsstaa­ts, der eigentlich modern und zum Wohle von Kindern sein will, tatsächlic­h aber den Standards anderer Länder weit hinterherh­inkt.

Im Sinn des seitens der Justiz ständig zitierten Kindeswohl­s ist diese rechtliche Regelung durch ihre weitere Verfahrens­verzögerun­g nicht zu rechtferti­gen. Sie schadet den betroffene­n Kindern. Die Justiz sollte sich daher mit dieser rechtliche­n Vorgehensw­eise dringend auseinande­rsetzen und zum tatsächlic­hen Wohl der Kinder ändern.

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