Der Balanceakt des Michael Ludwig
Analyse. Schieder-Anhänger packen schon. Ludwigs Personalumbau wird aber ein Spagat aus Revanche und Vernunft sein müssen, will er die Fehler jener, die Faymann stürzten, vermeiden.
„Ich weiß nicht, ob die Stimmung schlechter wäre, wenn die FPÖ gerade in Wien die Wahl gewonnen hätte“, sagt ein Mitarbeiter eines Wiener Stadtratbüros, das dem Schieder-Lager zuzuordnen ist. Mitarbeiter packen schon Kartons, weil sie davon ausgehen, bald keinen Job mehr zu haben. Die Wunden und die Kränkung sind nach der Kampfabstimmung um die Parteiführung der Wiener SPÖ zwischen Klubobmann Andreas Schieder und Wohnbaustadtrat Michael Ludwig groß.
Diese Situation ist für Sieger Ludwig ein Balanceakt. Er muss sein Revier markieren, gefährliche Gegner ruhig stellen und Versprechen an seine Unterstützer erfüllen. Gleichzeitig muss er sich davor hüten, nicht an denselben Fehlern zu scheitern, wie jenes Lager, das er gerade besiegt hat – und somit die einstigen Gewinner zu Verlierern wurden. Denn sie waren es, die erfolgreich Werner Faymanns Sturz im Mai 2016 unterstützten. Danach schafften sie es aber nicht, Verlierer nicht als Verlierer dastehen zu lassen und den Gekränkten die Hand zu reichen. Etliche der damaligen Faymann-Anhänger sind heute Ludwig-Fans, die Rachegefühle noch immer groß – aber wenn Ludwig die Partei befrieden will, wird er diesen nicht zu sehr nachgeben dürfen.
Dass sich mit einem neuen Parteivorsitzenden auch personell etwas ändert, ist aber klar. Der erste Posten, der wohl vakant wird, ist der von Landesparteisekretärin Sybille Straubinger. Als Nachfolgekandidaten werden Gemeinderat und Bildungssekretär Marcus Schober ebenso gehandelt wie Gemeinderat Gerhard Spitzer, der wie Ludwig aus Floridsdorf kommt.
Und dann gibt es auch noch andere, die große Loyalität gezeigt haben und nun wohl hoffen, zu Höherem berufen zu werden. Zu Ludwigs aktivsten Mitstreitern zählen Nationalrat Harald Troch ebenso wie der Ex-Wiener Landessekretär Christian Deutsch oder die Favoritner Gemeinderätinnen Kathrin Gaal und Martina LudwigFaymann sowie Barbara Novak aus Döbling. Wenn es um eine Regierungsumbildung geht, haben die Frauen bessere Chancen auf Stadtratsposten. Denn Troch und Deutsch polarisieren – sie befeuerten den Streit der beiden Parteiflügel medial immer wieder und forderten Häupl zum Rücktritt. Dazu muss Ludwig auf die Geschlechterparität achten, bisher werden vor allem Frauen als Ablösekandidatinnen gehandelt: Renate Brauner (Finanz), Sandra Frauenberger (Gesundheit) und Ulli Sima (Umwelt).
Alle drei stehen auf dem Standpunkt, nicht gehen zu wollen – immerhin seien sie vom Gemeinderat gewählt. Das ist aber auch Säbelrasseln, um in den Verhandlungen mit Ludwig mehr Gewicht zu bekommen. Verhandeln wird er nämlich müssen. Das ist nicht nur atmosphärisch nötig, sondern auch, weil Ludwig bisher keine Mehrheiten in den Gremien hatte – und gerade Brauner dort als Vorsitzende der Frauen viele Unterstützer hat. Brauner wird er auch deswegen nach Jahrzehnten in der Politik nicht unehrenhaft entlassen. Eine diskutierte Variante ist, sie zur Landtagspräsidentin zu machen. Schlechte Karten auf einen guten Versorgungsposten hat dagegen Frauenberger, die über Ludwig sagte, dass sie in ihm keinen einenden Kandidaten sehe.
Mit Ludwig als neuem SPÖ-WienChef ändert sich nicht nur das Kräfteverhältnis in Wien, sondern auch im Bund. Nicht unbedingt zugunsten von Parteivorsitzenden Christian Kern. Mit dem etwaigen Ausscheiden von Brauner und Häupl verliert Kern zwei seiner wichtigsten Unterstützer in den Bundesgremien – die Linke wird geschwächt.
Damit bleibt mit Kärnten nur noch ein SPÖ-regiertes Bundesland, das dezidiert zu Kerns Unterstützern gezählt werden kann. Landeshauptmann Peter Kaiser hat mit anstehenden Landtagswahlen am 4. März aber eigene Fronten, an denen er kämpfen muss.