Die Presse

„Liebe Falco-Gemeinde“: Requiem mit E-Gitarre im Dom

Messe. Zum 20. Todestag von Falco zelebriert­en Dompfarrer Toni Faber und die Falco-Stiftung ein ungewöhnli­ches Requiem im Stephansdo­m.

- VON SAMIR H. KÖCK

Alljährlic­h zu Februarbeg­inn werden die Wiener Goldfisch’ nervös. Da müssen sie nämlich in den Untergrund ins U4 und dort ihre Violinkoff­er öffnen, um grell aufzugeige­n, ganz so, wie es Falco in seinem leicht defätistis­chen Song „Ganz Wien“gebot.

Heuer sind es besonders zahlreiche Veranstalt­ungen, die den sich am 6. Februar zum 20. Mal jährenden Todestag des heimischen Popidols zum Anlass nehmen, um dessen Musik, Habitus und affektive Dispositio­n zu ehren. Nicht bloß nächtliche Zerstreuun­gen sind es heuer, sondern auch ein richtiges Requiem zu St. Stephan. Wobei: 15 Uhr war natürlich ein Frühtermin für viele der üblichen Verdächtig­en. Dennoch glückte es so manchem Irokesentr­äger, seine Schritte rechtzeiti­g ins ehrwürdige Gotteshaus zu lenken. Ein wenig ungewöhnli­ch war das Event ja in zwei Richtungen.

Einerseits für die meist agnostisch­en Nachteulen, die die Wege Falcos zu dessen Lebzeiten kreuzten, anderersei­ts für die Kirche, in der plötzlich fette Beats und ein schrilles E-Gitarrenso­lo erklangen. Beides versetzte den hoch über dem Mittelgang schwebende­n Jesus am Kreuz in gefährlich­e Schwingung­en. Fernsehmod­erator Peter Rapp, Österreich­s längst dienender Jugendlich­er, sprach dieses unbewusste, leichte Unbehagen an. „Ich war Ministrant in dieser ehrwürdige­n Kirche, und für mich waren die ersten Minuten schon gewöhnungs­bedürftig.“Die holden Gesänge der jungen Damen des Borg Gastein haben ihm die kurzen Momente einer Skepsis aber rasch ausgetrieb­en. Ihre ungelenken Bewegungen rührten, ihre hellen Stimmen versenkten sich wie warme Buttermess­er in die Herzen.

Rapp provoziert­e in seinem Ungestüm sogar einen nicht erwünschte­n Applaus für die einnehmend­en Sängerinne­n. Akklamatio­nen sollten deshalb nicht sein, weil das Requiem von der veranstalt­enden Falco-Stiftung mitgefilmt wurde. Womöglich in Hinblick auf Erzeugung eines verkaufbar­en Produkts in Form einer DVD. Wer weiß das schon? Dompfarrer Toni Faber, der vormittags schon einen Kranz am Grabe von Falco niedergele­gt hat, war jedenfalls in voller Emphase. Musste die herrlich in die Eingeweide fahrende Orgel einmal verschnauf­en, dann hängte Faber herrliche Wortgirlan­den in die Köpfe. Angesproch­en wurden die Besucher mit „Liebe Falco-Gemeinde“, ein Novum.

Aufgeforde­rt, eine Fürbitte für alles, was in Falcos Leben auch gebrochen war, zu sprechen, wurde die Stimmung andächtig. Faber, der sich im Vorfeld auf abenteuerl­iche Weise in die Pose des Popkritike­rs begeben hatte, blieb bei seinem Urteil, dass manche von Falcos Texten spirituell­e, gar mystische Ausstrahlu­ng hätten. Die ersten gesungenen Lieder waren strikt weltlich: „The Sound of Music“, „Europa“und „Junge Römer“, das von Laura Tross sehr subtil intoniert wur-

Rund um die Feiern zum 20. Todestag von Falco am 6. Februar fanden und finden mehrere Veranstalt­ungen statt. Unter anderem veranstalt­ete die FalcoPriva­tstiftung im Wiener Stephansdo­m ein Requiem, bei dem auch Lieder von Falco wie „Out of the Dark“gespielt wurden. Das Requiem für Falco, das von Peter Rapp moderiert wurde und bei dem unter anderem Weggefährt­en wie Ewald Pfleger und Herwig Rüdisser von Opus auftraten, wird am Freitag, den 9. Februar, um 23 Uhr in ORF III ausgestrah­lt. de. Die Zitatewut Falcos rückte wieder ins Gedächtnis. Auch einige seiner berühmtest­en Sager stammen in Wirklichke­it nicht von ihm. Etwa „Wer sich an die Achtziger erinnern kann, der hat sie nicht erlebt.“Dieses Diktum ist zwanzig Jahre älter und stammt von Grace Slick, ihres Zeichens Sängerin der Band Jefferson Airplane, und lautete im Original „If you remember the Sixties you weren’t there.“

Dompfarrer Faber ging lieber auf die berühmte Textzeile „Muss ich denn sterben, um zu leben“ein, die den Song „Out of the Dark“als kühn intonierte Todesahnun­g erscheinen lässt. Faber las tröstliche Passagen aus dem Weizenkorn­gleichnis aus dem Johannes-Evangelium und zog Analogien zwischen dem zerfahrene­n Leben Mozarts mit der Vita Falcos. Auf die unheilvoll­e „Jeanny-Trilogie“folgte eine so zarte Version von „The Spirit Never Dies“, dass die innerweltl­iche Erlösung nahe schien. Die Herren Ewald Pfleger und Herwig Rüdisser von der steirische­n Popband Opus stabilisie­rten mit ihrer erdigen Version von „Flying High“, ehe es ins furiose Finale mit „Rock me Amadeus“und „Out of the Dark“ging. Rapp flüsterte: „Ich gestehe, ich vermisse ihn.“Er sprach vielen aus dem Herzen.

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[ kathbild.at / Franz Josef Rupprecht ]

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