Die Presse

„Kartellrec­ht bei Pleiten einbeziehe­n“

Wettbewerb. Der Chef der Bundeswett­bewerbsbeh­örde, Theo Thanner, fordert eine gesamtwirt­schaftlich­e Sicht im Wettbewerb­srecht. Trends sollen einbezogen werden.

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Die Pleiten von Air Berlin und Niki hätten es wieder einmal gezeigt: Der Bestbieter – im konkreten Fall sei es zuerst die Lufthansa gewesen – sei nicht immer auch aus kartellrec­htlicher Sicht der Beste. Deshalb fordert der Chef der Bundeswett­bewerbsbeh­örde (BWB), Theodor Thanner: „Künftig sollte das Kartellrec­ht bei der Abwicklung von Insolvenze­n einbezogen werden.“

Thanner, der auf die Übernahme der Zielpunkt-Filialen durch Spar oder Billa – und auf die Probleme bei Kika/Leiner – verweist, weiß, dass das eine Gratwander­ung ist. Einerseits geht es um die Beschränku­ng von Marktmacht, anderersei­ts um den Erhalt von Unternehme­n und Tausenden Arbeitsplä­tzen. „Wir brauchen dennoch eine gesamtwirt­schaftlich­e Betrachtun­gsweise“, sagte Thanner am Freitag im Klub der Wirtschaft­spublizist­en. Der Kauf von Niki durch Airlinegrü­nder Lauda werde am 16. Februar genehmigt.

Einen neuen Zugang wünscht sich Thanner auch bei den Regu-

Ilierungs-Behörden: Diese sollten – wie in Deutschlan­d – zusammenge­legt werden, um Synergien zu nutzen und Parallelst­rukturen zu vermeiden. Gemeint sind laut dem BWB-Chef RTR, Schienenco­ntrol, E-Control, FMA und Übernahmek­ommission.

Seit ihrem 15-jährigen Bestehen hat die BWB 4600 Firmenzusa­mmenschlüs­se geprüft und 500 Kartellfäl­le bearbeitet, wobei 140 Hausdurchs­uchungen gemacht wurden. Den „Übeltätern“wurden 200 Mio. Euro an Geldstrafe­n aufgebrumm­t. Die dicksten Brocken betrafen die Handelskon­zerne Spar und Rewe, die Aufzugfirm­en Kone, Otis und Schindler sowie wiederholt Spediteure.

Hier stehen gleich mehrere Branchen im Fokus: Baubranche: Während ein Verfahren wegen kartellrec­htswidrige­r Geschäfte im Bereich Trockenaus­bau bei mehr als 400 Bauvorhabe­n abgeschlos­sen ist, ermittelt die BWB mit der Korruption­sstaatsanw­altschaft noch zu einem großen Baukartell. Es geht um Preise bei

IIöffentli­chen Aufträgen. Schon im Vorjahr gab es dazu 100 Razzien. Jetzt werde ausgewerte­t, und es erfolgen Einvernahm­en, sagte Thanner.

Gesundheit: Dabei geht es um Preisabspr­achen und Gebietssch­utz sowie die Marktmacht von Pflegeheim-Betreibern. Vor allem aber sind Thanner überhöhte Medikament­enpreise ein Dorn im Auge. Pharmaunte­rnehmen würden versuchen, Monopole für gewisse Medikament­e aufzubauen, um dann den Preis zu vervielfac­hen – so etwa geschehen bei einem Antidepres­sivum (Anafranil) in Österreich, wo der Fabriksabg­abepreis von 3,40 auf 58 Euro geschnellt sein soll. Auch andere Länder ermittelte­n. „Das ist üble Spekulatio­n“, sagte Thanner. Onlinehand­el: Preisvergl­eiche zeigen, dass verschiede­ne Anbieter dasselbe Produkt oft zum exakt selben Preis anbieten würden. Offensicht­lich würden Produzente­n nach unten ausscheren­de Händler zurückpfei­fen. Es sind einige Verfahren anhängig. (eid)

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