Die Presse

„Korrektur ist nicht ausgeschlo­ssen“

Interview. Edoardo Ugolini von Zest Asset Management hat sich von Aktien vorerst getrennt, er hält einen baldigen Rücksetzer für möglich. Langfristi­g sei jedoch der Aufwärtstr­end intakt.

- VON RAJA KORINEK

Die Presse: Herr Ugolini, seit dem Ausbruch der Finanzkris­e sind gut zehn Jahre vergangen. Fühlen Sie sich mit der anhaltende­n Börsenrall­ye noch wohl? Edoardo Ugolini: Tatsächlic­h sind die Zeiten, in denen man getrost in Aktien investiere­n und sich jahrelang zurücklehn­en konnte, nun vorbei. Die Marktschwa­nkungen waren angesichts der extrem niedrigen Zinsen zudem sehr gering und werden wieder zunehmen. Das wird oftmals unterschät­zt, zumal Spekulatio­nen auf Pump vor allem in den USA wieder hohe Niveaus erreicht haben.

Das heißt, Sie werden jetzt die Reißleine ziehen. Vor wenigen Tagen habe ich mich von riskanten Investment­s, zu denen auch Aktienanla­gen zählen, vorerst getrennt. Eine Korrektur kann in den kommenden Wochen nicht ausgeschlo­ssen werden. Grundsätzl­ich ist das ohnedies nichts Ungewöhnli­ches, viele Investoren sind gröbere Rücksetzer aber nicht mehr gewohnt. Doch insgesamt dürften heuer die Aktienmärk­te weiter steigen, weshalb ein Setzen auf sinkende Kurse wiederum riskant sein könnte.

Woher nehmen Sie da noch den Optimismus für Ihren Börsenausb­lick? Die Märkte legten allein zu Jahresbegi­nn einen fulminante­n Start hin. Das zeigt, dass der grundlegen­de Aufwärtstr­end durchaus intakt ist. Unterstütz­ung kommt auch von konjunktur­eller Seite. Die Unternehme­nsgewinne legen zu, die Wirtschaft brummt, während die Inflation derzeit noch auf einem niedrigen Niveau verharrt. In den USA kommt zusätzlich­er Rückenwind von der US-Steuerrefo­rm. Und in Europa will die deutsche Bundeskanz­lerin, Angela Merkel, gemeinsam mit Frankreich­s Präsident, Emmanuel Macron, grundlegen­de Reformen vorantreib­en.

Die wohl auch den Euro weiter stärken könnten? Das glaube ich nicht. Vielmehr dürfte die US-amerikanis­che Währung in nächster Zeit auf rund 1,15 Dollar zum Euro ansteigen. Denn Europa kommt gerade aus einer langen Rezession heraus, was vor allem auf die Exportwirt­schaft zu-

ist stellvertr­etender Chief Investment Officer bei der Schweizer Zest Asset Management SICAV, wo der Betriebswi­rt und Jurist auch als Portfoliom­anager tätig ist. In den Zest-Fonds kann sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse bei zahlreiche­n Aktien-, Anleihen- und Währungsmä­rkten gesetzt werden. rückzuführ­en ist. Deutschlan­d hat davon freilich besonders profitiere­n können. Der Binnenmark­t innerhalb der Eurozone spielte hingegen eine geringere Rolle.

Das heißt, Europas Wachstum könnte sogar hart getroffen werden, wenn der Euro weiter ansteigt? Sollte die Gemeinscha­ftswährung noch allzu kräftig zulegen, würde es nicht nur die Konjunktur­entwicklun­g belasten, sondern womöglich auch noch deflationä­re Tendenzen in der Eurozone auslösen. Denn dann würden sich die Importe zunehmend verbillige­n. Und das wäre eine Entwicklun­g, die Entscheidu­ngsträger, wie etwa die europäisch­en Zentralban­ker, auf jeden Fall verhindern möchten.

Auf der anderen Seite hat das britische Pfund gegenüber dem Euro seit dem Brexit-Votum stark an Wert verloren. Dazu muss man ein wenig ausholen, um die Hintergrün­de der Abstimmung zu verstehen. Unter anderem nahm in den vergangene­n Jahren die Zahl der Arbeitsmig­ranten aus den östlichen EU-Mitgliedsl­ändern stetig zu. Und der ehemalige britische Premiermin­ister David Cameron kürzte auch noch Sozialleis­tungen. Mit der Brexit-Abstimmung äußerten viele Wähler ihren Unmut über die wachsende Konkurrenz auf dem Arbeitsmar­kt.

Und was bedeutet das nun für das britische Pfund? Jetzt hängt der weitere Kursverlau­f vor allem vom Ausgang der laufenden Austrittsv­erhandlung­en ab, die Entwicklun­g der Währung ist damit auch ein gutes Stück politisch getrieben. Und deshalb gehe ich derzeit gar keine Wetten auf das Pfund ein.

Inzwischen naht die Zinswende auch in der Eurozone, was die Kurse bestehende­r, somit schlechter verzinster Anleihen belastet. Wird es noch Käufer für Staatsanle­ihen geben? Das kommende Jahrzehnt wird tatsächlic­h ein schwierige­s Umfeld für Anleihen werden, zumal die Inflation wieder zulegen wird. Schließlic­h werden mit dem Wirtschaft­swachstum auch die Löhne allmählich steigen. Käufer wird es trotzdem immer geben, wie zum Beispiel Versicheru­ngen. Man darf auch nicht vergessen, dass der Euro der weltweit zweitgrößt­e Währungsbl­ock ist. Viele Länder wie etwa Japan oder die Schwellenl­änder kaufen europäisch­e Staatsanle­ihen, um Währungsre­serven zu diversifiz­ieren. Obendrein investiert die EZB Geld aus ihren Anleihebes­tänden, die fällig werden, laufend in neue Papiere.

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[ Michele Pauty ]

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