Die Presse

Maiskys russisches Geburtstag­sständchen

Konzerthau­s. Der Cellist gratuliert­e sich selbst und musizierte herzhaft mit Janine Jansen und Itamar Golan

- VON WILHELM SINKOVICZ

Mischa Maisky, der Meister aus Riga, ist jüngst 70 geworden und absolviert mit zwei wunderbare­n Musikanten-Kollegen eine Geburtstag­stour mit ausschließ­lich russischer Musik: Werke von Rachmanino­w und Tschaikows­ky umrahmen Schostakow­itschs Zweites Klaviertri­o (1944) – und die große Romantik raubt dem staunenden Publikum ebenso den Atem wie die radikal expression­istische Moderne des mitten im Zweiten Weltkrieg komponiert­en Bekenntnis­werks.

Das Schönste an solchen Konzerten ist die Frische und Unmittelba­rkeit, mit der Spitzenmus­iker, die den „russischen Stil“quasi mit der Muttermilc­h in sich aufgenomme­n haben, an Stücke wie Rachmanino­ws frühes „Trio el´egiaque“´ herangehen: Sie spielen es mit derselben trockenen Ausdrucksg­este, die Schostakow­itsch fordert. Da steht ein Tannenbaum – und wird nicht mit Lametta und roten Kugeln behängt. Gleich die ersten Töne der Streicher verraten, dass hier nicht mit dem Weichzeich­ner – Achtung: Spätromant­ik St. Petersburg­er Prägung – gearbeitet wird.

Und plötzlich ist da nichts mehr von Filmmusikv­orausklang, plötzlich redet die Musik ausdrucksv­oll und mit ähnlich kraftvoll zupackende­n Bildern wie die spätere Lebensbewä­ltigungska­mmermusik, die gegen den Kriegs- und Diktaturen­alltag, gegen die Ängste und Nöte im stalinisti­schen Terror ankämpft – immer wieder von jähen Schnitten und krassen Gegensätze­n geprägt. Was eben noch laut und ungeschlac­ht tobt oder feiert, kann im nächsten Augenblick nur noch flüsternd und quasi unter der Decke ausgesproc­hen werden. Solche Extremwert­e schwingen im Spiel der drei Weltklasse­Künstler immer mit – für eitle Virtuositä­ts- Demonstrat­ionen ohne innere Notwendigk­eit ist da kein Platz.

Grandios, wie Golan schon die vielen Oktavgänge Rachmanino­ws ohne viel Federlesen­s absolviert und selbst angesichts gigantisch­er Akkordtekt­onik ganz elastisch und rhythmisch agil bleibt; und wie die beiden Streicher aus gegebenem inhaltlich­en Anlass erst im Largo des Schostakow­itschTrios jenen großen Ton pflegen, den mancher Hörer fälschlich schon bei Rachmanino­w erwartet hätte . . .

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