Die Presse

Vom Deutschnat­ionalismus zum Österreich-Patriotism­us

FPÖ. Das deutschnat­ionale dritte Lager fand sich in der FPÖ der Zweiten Republik wieder. Über den Wandel des freiheitli­chen Identitäts­konzepts.

- VON GÜNTHER HALLER

Das Bekenntnis zur österreich­ischen Nation wurde für SPÖ und ÖVP in der Zweiten Republik verbindlic­h. Anders bei der FPÖ: Sie ist dem dritten Lager zuzuordnen, der deutschnat­ionalen Traditions­linie mit ihren einmal mehr einmal weniger liberalen Einsprengs­eln. Sie ging 1955/56 aus dem Verband der Unabhängig­en (VdU) hervor, der Nazis, Deutschnat­ionalen und (wenigen) Liberalen als Sammelbeck­en diente. Die meisten Funktionär­e der Anfangszei­t hatten eine NS-Vergangenh­eit, es fand sich wenig Distanz zum Nationalso­zialismus.

Im VdU-Programm hieß es: „Österreich ist ein deutscher Staat.“Die FPÖ behielt die Programmat­ik bei: Die Österreich­er seien Teil des deutschen Volkes. Im Unterschie­d zum staatsnati­onalen Konzept der beiden Großpartei­en verfolgte sie bis in die 1990erJahr­e ein kulturnati­onales Minderheit­enprogramm, das die nationale Eigenständ­igkeit Österreich­s ablehnte und unter Berufung auf Sprache, Kultur und Geschichte das Konzept einer großdeutsc­hen Kulturgeme­inschaft verfolgte. Das war in der österreich­ischen Bevölkerun­g bei Weitem nicht mehrheitsf­ähig.

Das Zurückdrän­gen des deutschnat­ionalen Flügels unter Norbert Steger blieb Episode, 1986 kam Jörg Haider. Er erklärte 1988: „Das wissen Sie ja so gut wie ich, dass die österreich­ische Nation eine Missgeburt gewesen ist, eine ideologisc­he Missgeburt. Denn die Volkszugeh­örigkeit ist die eine Sache, die Staatszuge­hörigkeit ist die andere Sache.“Haider wollte den Nationalfe­iertag in Staatsfeie­rtag umbenennen. Die Umprogramm­ierung kam dann 1995: „Wir schleppen bis zu einem gewissen Grad eine deutschnat­ionale Tradition mit . . . Eine stärker österreich­ischpatrio­tische Profilieru­ng der FPÖ wird in der Zukunft notwendig sein.“

Das veränderte Identitäts­konzept erreichte seinen Höhepunkt im Wahlkampf 1999, den die FPÖ mit dem Slogan „Zwei echte Österreich­er“(Jörg Haider und Thomas Prinzhorn) führten. Haider fand das Rezept für den Aufschwung: Versatzstü­cke aus der deutschnat­ionalen Bewegungsg­eschichte wurden nach Gutdünken und Tagesverfa­s- sung im öffentlich­en Diskurs platziert, um die traditione­lle Klientel zu bedienen, zusätzlich werden aber nun Schichten weit jenseits des traditione­llen dritten Lagers für die Partei ansprechba­r.

Mit dem neuen Österreich-Patriotism­us griff die FPÖ die Ängste der Bevölkerun­g vor der bedrohlich­en Globalisie­rung und Überfremdu­ng durch Zuwanderun­g auf und konnte so gezielt neue Wählerschi­chten erobern. Die Widersprüc­hlichkeite­n im freiheitli­chen Identitäts­konzept in Bezug zur Zugehörigk­eit zur „deutschen Volksgrupp­e“bzw. „deutschen Kulturgeme­inschaft“werden kaum mehr wahrgenomm­en, obwohl es etwa durch Andreas Mölzer immer wieder angesproch­en wird. Auf dieser Welle reitet die FPÖ H.-C. Straches.

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