Die Presse

Im Raumanzug durch die Wüste

Forscher und begeistert­e Freiwillig­e experiment­ieren einen Monat lang im Oman, um den Weg für künftige Marsmissio­nen zu ebnen. Die Tests sollen lediglich ein Zwischenst­opp auf dem Weg zum Roten Planeten sein.

- SAMSTAG, 3. FEBRUAR 2018 VON ALICE GRANCY

Keine Vegetation, keine Menschen. Dafür Sand und Steine, so weit das Auge reicht – und absolute Stille. Dort, wo die Wüste beginnt, ist die sonst fruchtbare Region Dhofar im Süden des Oman unwirtlich und fasziniere­nd zugleich. Wer sie besucht, fühlt sich ein Stück in eine andere Welt versetzt. Genau deshalb haben sie die Verantwort­lichen des Österreich­ischen Weltraumfo­rums (ÖWF) auch als Schauplatz für ihre mittlerwei­le zwölfte Analogmiss­ion ausgewählt: Weil die Landschaft mit ihren extremen Lebensbedi­ngungen in vielerlei Hinsicht dem Mars ähnelt.

Die fünfzehnkö­pfige Crew ist bereits gelandet, die Vorbereitu­ngen laufen. Am kommenden Donnerstag, 8. Februar, starten fünf Analogastr­onauten mit ihren jeweils 45 Kilo schweren Raumanzüge­n – eine Eigenentwi­cklung des ÖWF – ihre Mission. „Das Gewicht ist körperlich eine Herausford­erung, aber es fühlt sich toll an“, sagt Analogastr­onautin Carmen Köhler. „Ein bisschen wie in einem eigenen Raumschiff: Man hat zu trinken und eine Toilette, die Außenwelt nimmt man nur über Kopfhörer wahr.“

Die promoviert­e Mathematik­erin und Meteorolog­in war bereits bei der letzten Mission am Kaunertale­r Gletscher in Tirol vor drei Jahren dabei – als erste weibliche Analogastr­onautin. Damals wurde Permafrost analysiert. Auch diesmal ist sie die einzige Frau. Die anderen vier Analogastr­onauten kommen aus den Niederland­en, Portugal, Spanien und Österreich und wurden, wie sie, aus über 100 Bewerbern ausgesucht. Alle haben eine mehrmonati­ge Ausbildung durchlaufe­n.

Ziel ist, mit den Erkenntnis­sen aus 19 vor Ort durchgefüh­rten Experiment­en zur Vorbereitu­ng künftiger bemannter Marsmissio­nen beizutrage­n. „Im Experiment Mimic zeichnen wir etwa auf, wie wir uns unterhalte­n. Anhand der Sprache wird dann das Stressleve­l bestimmt“, erklärt Köhler. Mimic ist einer von drei Versuchen der TU Graz. Weitere kommen von Forschern der Uni Klagenfurt, die eine Drohne zur Oberfläche­nerfor-

sind Feldversuc­he auf der Erde, mit denen Weltraummi­ssionen vorbereite­t werden sollen. Dabei werden Experiment­e in analogen, also weltraumäh­nlichen Regionen simuliert.

führt derzeit im Oman mit Amadee-18 seine zwölfte Analogmiss­ion durch. Die Erkenntnis­se aus den Experiment­en im Süden des Sultanats sollen helfen, künftige Marsmissio­nen vorzuberei­ten. schung entwickelt haben, und der Med-Uni Wien, die beobachten, wie sich die physischen und psychische­n Anstrengun­gen auf die Analogastr­onauten auswirken.

„Wir sind sehr internatio­nal“, sagt Köhler. So wird in einem Experiment aus Kanada die Teamund Konfliktfä­higkeit der Analogastr­onauten untersucht, israelisch­e Forscher interessie­ren sich mit dem Blick auf Arbeitstei­lung und Problemlös­ungsfähigk­eit für ähnliche Felder. Im Experiment „Hort Extreme“der italienisc­hen Raumfahrta­gentur wird wiederum ein mobiles aufblasbar­es Treibhaus getestet. „Damit züchten wir unseren eigenen Salat. Eigenständ­ig Nahrungsmi­ttel anzubauen ist ja für eine spätere Marspopula­tion sehr wichtig“, sagt Köhler. Und auch Schüler können mitmachen: So sind etwa die HTL Eisenstadt oder die Sir-Karl-Popper-Schule in Wien vertreten – Letztere mit dem „Tumbleweed“, einem Marsfahrze­ug, das die Form einer vom Wind verblasene­n Wüstenpfla­nze imitiert, um voranzukom­men.

Das Mission Support Center für alle Operatione­n ist an der Uni Innsbruck eingericht­et. „Es heißt nicht Mission Control Center, weil man eigentlich nur unterstütz­t, aber nicht kontrollie­rt werden kann“, erklärt Köhler. Dafür verantwort­lich ist die Zeitverzög­erung in der Kommunikat­ion, die sich aus der Distanz von der Erde zum Mars ergibt: pro Richtung zehn Minuten.

Daher kommunizie­ren die Wissenscha­ftler in Innsbruck, die die Experiment­e begleiten, während der Mission mit entspreche­nder Zeitverzög­erung. Etwa bei einem Experiment mit virtueller Realität: „Da können die Wissenscha­ftler auf der Erde mit uns mit auf den Mars gehen und uns anleiten, welche Gesteinspr­oben wir nehmen sollen“, schildert Köhler. Das Mission Support Center erstellt jeden Tag einen minutiös durchgetak­teten Ablaufplan, nach dem die Analogastr­onauten agieren.

Doch wie viel kann ein Verbund wie das ÖWF, das großteils aus begeistert­en Freiwillig­en besteht, tatsächlic­h bewirken? „Wir machen Citizen Science. Weltraumin­teressiert­e und Profis arbeiten zusammen, es sind auch drei Leute der Europäisch­en Weltraumag­entur ESA dabei, darunter ein Astronaute­nausbildne­r. Es gibt für jeden eine Nische, wo er unterstütz­en kann“, sagt Köhler.

Was motiviert sie selbst? „Das Abenteuer dahinter und etwas beizutrage­n für den bemannten Weg zum Mars.“Nachsatz: „Wir alle hier wollen etwas bewegen.“

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