Die Presse

Kann man Computern Ethik beibringen?

Intelligen­te, autonome Maschinen müssen vermehrt moralische Entscheidu­ngen fällen. Dabei könnten künftig altindisch­e Texte helfen.

-

Bei einem selbstfahr­enden Auto versagen die Bremsen, als ein Kind davor den Zebrastrei­fen überquert. Ändert das Fahrzeug die Richtung, kracht es gegen ein festes Hindernis, die Insassen – fünf Pensionist­en – sterben. Behält es die Fahrlinie bei, überfährt es das Kind. Das ist eines von 13 makabren Szenarien, die das Massachuse­tts Institute of Technology (MIT) mit seiner „Moral Machine“seit 2016 erfragt. Wie soll das intelligen­te Fahrzeug entscheide­n?

Diese ausweglose­n Dilemmata werden gezeigt, um die Öffentlich­keit für ethische Fragen rund um künstliche Intelligen­z zu sensibilis­ieren – und in die Debatte miteinzube­ziehen. Denn intelligen­te Maschinen, die in immer mehr Arbeits- und Lebensbere­iche vordringen, brauchen tatsäch- lich für jede Situation eine klare Vorgabe, wie sie agieren sollen. Schon heute führen Roboter Operatione­n durch, sind in Krisen- oder Katastroph­engebieten im Einsatz, lenken Busse oder Schiffe. Begegnen sie dabei Menschen, müssen sie mitunter Entscheidu­ngen über Leib und Leben treffen. Aber: Wie lässt sich Moral programmie­ren?

„Die Forschung dazu steht noch ganz am Anfang“, sagt Agata Ciabattoni vom Institut für Logic and Computatio­n der TU Wien. Die aus Italien stammende Informatik­erin hat eben ein Forschungs­projekt gestartet, in dem sie einen ganz neuen Ansatz wählt. Sie analysiert gemeinsam mit der Sanskritis­tin Elisa Freschi vom Institut für Kultur- und Geistesges­chichte Asiens der Akademie der Wissenscha­ften altindisch­e Texte mit Methoden der mathematis­chen Logik.

Die philosophi­sche Schule der Mimamsa ist für ihren sehr rigorosen logischen Zugang mit Vorschrift­en und Verboten bekannt, festgeschr­ieben in den Veden. In dieser sogenannte­n deontische­n Logik interessie­re nicht, „was wahr oder falsch ist, sondern, was wir tun oder lassen sollen“, fasst Ciabattoni zusammen. In dieser über Jahrhunder­te tradierten Lehre sind auch Regeln formuliert, wie sich scheinbare Widersprüc­he auflösen lassen. „Wir können diese Regeln in einer Sprache formalisie­ren, die auch der Computer versteht“, erklärt die Forscherin.

Das soll nun einerseits neue Einsichten in die Sanskrit-Philologie ermögliche­n, anderersei­ts könnte man die Erkenntnis­se auch nutzen, um Computern Ethik beizubring­en: Die Computerwi­ssenschaft solle die Argumentat­ionswerkze­uge übernehmen, um mit Verpflicht­ungen und Verboten besser umzugehen, so Ciabattoni.

Newspapers in German

Newspapers from Austria