Gehärteter Stahl statt weichem Tuch
Adelige leisteten sich einen Harnisch, der die feinen Gewänder seiner Zeit imitierte: Wölbungen, Falten und Gewandschlitze nach persönlichem Maß.
Ein besonderer Harnisch aus der Renaissance, „einer der ungewöhnlichsten und kostbarsten weltweit“, wie der Kunsthistoriker Stefan Krause sagt, und der über wenige Generationen verbürgte Aufstieg einer eher niedrigen Adelsfamilie – beide Komponenten, die Familie und die kostbare Rüstung, sind mit dem Namen Wilhelm von Rogendorf (auch Roggendorf ) verbunden.
Der mit dem Jahr 1523 datierte Harnisch wurde in der Werkstatt des Augsburger Plattners Kolman Helmschmid gefertigt. Nach mehrjähriger Absenz ist er wieder in der Hofjagd- und Rüstkammer des Kunsthistorischen Museums zu sehen. 2017 war er in der NÖ-Landesausstellung „Alles was Recht ist“in Pöggstall (NÖ) ausgestellt, zuvor war er einer mehrjährigen Restaurierung unterworfen.
Stefan Krause, stellvertretender Direktor der Hofjagd- und Rüstkammer, legt den Fokus seiner Forschungsarbeit auf die Plattnerkunst des späten Mittelalters und der Renaissance. Der von dem österrei- chischen Reichsfreiherrn Wilhelm von Rogendorf in Auftrag gegebene Harnisch gilt als außergewöhnliches Zeugnis der Renaissancekunst und repräsentierte bei seiner Fertigung einen Wert, der, so Krause, einer heutigen Apartmentwohnung oder einem Luxussportwagen entsprach.
Im 19. und 20. Jahrhundert wurden gegen den zunehmenden Rost die Innenseiten mit Ölfarbe angestrichen und die Außenseiten mit mehreren Ölschichten überzogen. Bei der neu angesetzten Restaurierung hat man den Harnisch in seine Einzelteile zerlegt. Dann wurden die Farb- und Ölschichten Schritt für Schritt abgenommen. Zum Schutz gegen die Luftfeuchtigkeit verwendete man nun verdünntes Apothekerleinöl. Da bei früheren Restaurierungen einige Teile falsch zusammengesetzt wurden, sind zudem Spannungen aufgetreten, die jetzt wieder beseitigt wurden. Die unter der Leitung der Restauratorin Christa Angermann vorgenommenen Arbeiten nahmen drei Jahre in Anspruch.
Das Außergewöhnliche dieses Harnisches ist seine äußere Form, die das Modegefühl der Renaissance widerspiegelt. Stefan Krause spricht von einer „Mode in Stahl“und hat auch ein Buch mit diesem Titel herausgegeben (Album Verlag). Der Stahl der Rüstung imitiert weiches Textil, der Harnisch selbst war wohl für festliche Anlässe wie einem feierlichen Aufzug oder einen Schaukampf gedacht. Krause: „Er war maßgeschneidert, an den Körper angepasst, die einzelnen Teile griffen wie ein Uhrwerk ineinander.“Die textile und stäh-
stellten Rüstungen aus Eisen und Stahl her. Die Blütezeit der Plattnerei war im Hochmittelalter. Einzelne Betriebe bestehen noch heute.
löste im späten Mittelalter das Kettenhemd ab. Betriebe stellten auch billige Eisenrüstungen für die Landsknechte ihrer Zeit her. Renommierte Werkstätten befanden sich in Mailand, Innsbruck und Augsburg. Mit der Produktion starker Feuerwaffen war die Zeit der Harnische vorbei. lerne Mode haben sich in dieser Zeit gegenseitig beeinflusst.
Die Mode, die in der Spätgotik elegant, schwerelos und mit Spitzen gestaltet war, werde im frühen 16. Jahrhundert von gebauschten und geschlitzten Ärmeln bestimmt, aus denen der bunte Unterstoff herausschauen durfte. Das ist auch beim Harnisch des Wilhelm von Rogendorf zu sehen. Obwohl die stählernen Einzelteile eine Fläche bilden, ist der Stahl der Außenseiten so geformt, dass man vermeint, Wölbungen und Schlitze zu sehen.
Wilhelm von Rogendorf (1481– 1541) schaffte einen bemerkenswerten Aufstieg und war ein Vertrauter von insgesamt fünf Regenten der Habsburger. Er trat in deren Dienste, wurde Statthalter von Friesland, kommandierte die Verteidigungstruppen bei der Türkenbelagerung von Wien 1529, stieg zum Obersthofmeister auf und war zuletzt Kommandeur der Streitmacht, die 1541 Buda (Teil des heutigen Budapest) erobern sollte. Dort wurde er verwundet und starb wenige Tage später.