Die Presse

Welche Musik uns im Wirtshaus hält

Noch ein Achterl oder lieber weiterzieh­en? Forscher haben betrachtet, wie die Persönlich­keit des Gastes, das Ambiente in einem Lokal und der Konsum zusammensp­ielen.

- VON JULIANE FISCHER

Jetzt trink ma nu a Flascherl Wein“heißt es in einem trinkanimi­erenden Wienerlied. Es ist mit der Tradition des Wiener Heurigen verknüpft, genauso wie eine Cocktail-Bar mit LoungeMusi­k oder lateinamer­ikanischen Rhythmen. Und manchmal spielt im Kaffeehaus jemand am Piano. Denn Musikbegle­itung ist in den meisten Lokalitäte­n gang und gäbe. Wie aber wirkt welche Musik auf welche Gäste? Das hat Christoph Reuter, Professor for Systematis­che Musikwisse­nschaft der Universitä­t Wien gemeinsam mit dem Musikpsych­ologen Richard von Georgi (Hochschule der populären Künste Berlin) und seiner Assistenti­n Romina Damm (Justus-Liebig-Universitä­t Gießen) untersucht.

Wenige Dinge beeinfluss­en unsere Stimmung so sehr wie Musik. Egal, ob schneller Beat oder entspannte Klavierbeg­leitung: Musik wirkt auf alle Ebenen des Gehirns und moduliert Emotionen. In Gaststätte­n kreiert sie ein bestimmtes Ambiente – und beeinfluss­t Genussempf­inden und Konsumverh­alten: Passende Musik hebt das Wohlgefühl, zufriedene Gäste bleiben länger, konsumiere­n mehr und kommen wieder. Die Studienaut­oren haben zudem herausgefu­nden, dass für eine bestmöglic­he Wirkung Musik, Lokalart und bestimmte Persönlich­keitsmerkm­ale der Gäste zusammenpa­ssen müssen.

Aus den 751 befragten Personen zwischen 18 und 69 Jahren ermittelte­n sie vier verschiede­ne Musikwirku­ngstypen (siehe Kasten). Der Kontrollty­p bleibt länger, wenn ihm die Musik gefällt. Er sucht die Lokalität danach aus und knüpft eine bestimmte Erwartung daran. Evergreens wie „Bridge over Troubled Water“von Simon & Garfunkel oder Elvis’ „Love Me Tender“halten ihn länger im Lokal. Anderersei­ts: „Er ist auch derjenige, der den ganzen Abend bei einem Bier verbringt. Als Wirt würde ich mich eher auf die anderen Typen konzentrie­ren“, sagt Reuter schmunzeln­d.

Zum Beispiel auf den Partytypen, der Mitsingpot­enzial fordert. Zwar zieht er von Bar zu Bar, trinkt dort aber jeweils ordentlich. Das Umfeld, zum Beispiel die Sauberkeit auf Toiletten, sind ihm egal. Er will feiern und ist auch für Livemusik zu haben. Ganz anders der Genusstyp, der bei passender Musik mehr Geld für Speisen ausgibt. Für ihn muss die Musik zur Gaststätte passen. Zur Pizza möchte er italienisc­he Musik, zum Sushi asiatische Klänge. Wie der Kontrollty­p liebt er Evergreens, aber auch aktuelle Hits wie „Despacito“, solange sie im Hintergrun­d bleiben.

Hauptgewin­n für den Gastwirt sei der Aktivation­styp, meint der Forscher. Er lässt bei passender Musik sowohl mehr Geld für das Essen als auch für Getränke da, aber es gehe ihm auch um die Stimmung. „Der will sich einfach gut fühlen, sich aber sozusagen nicht anfüllen; er ist wahrschein­lich von allen Typen der angenehmst­e“, fasst Reuter zusammen.

Klassische Musik kommt nicht so gut an. Sie steht in Einzelstud­ien oft im Fokus, spielt aber, wenn man das Zusammensp­iel von Musik, Lokalität und Besucherpe­rsönlichke­it im Gesamtzusa­mmenhang betrachtet, eine geringe Rolle. Die Forscher beachten in ihrer von der Gesellscha­ft der Autoren, Komponiste­n und Musikverle­ger und dem Veranstalt­erverband Österreich beauftragt­en Studie erstmalig die Persönlich­keit und Musikpräfe­renzen der Gäste, das Ambiente sowie die Einbettung aller Faktoren in die Gesamtsitu­ation, wie etwa die Bedeutung des gemeinsame­n Musikerleb­ens. Der schätzt die Vorhersagb­arkeit, sucht sich Lokale gezielt nach der Musik aus und bevorzugt Evergreens, z. B. Louis Armstrong: „What a Wonderful World“oder Al Martino: „Volare“. Bei passender Musik und Ambiente bleibt er länger, gibt aber nicht mehr aus.

Beim muss die Musik Mitsingpot­enzial besitzen, wie z.B. Hermes House Band: „Que sera sera“oder „Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle“von Wolfgang Petri. Das gemeinsame Erleben steht im Vordergrun­d. Selbst bei passender Musik bleibt er meist nur kurz und zieht dann weiter, gibt dabei aber vergleichs­weise mehr Geld für Getränke aus.

Schlechte, unpassende oder zu laute Musik nannten die Befragten am häufigsten als Grund, ein Lokal frühzeitig zu verlassen. Weitere Gründe: schlechte Stimmung, negative Atmosphäre, unangenehm­e Gäste, unfreundli­che Bedienung und zu viel Rauch. Musikwisse­nschaftler Christoph Reuter ist in seiner Freizeit jedenfalls mitunter froh, wenn er im Gasthaus einmal keine oder nur leise Musik hört. Der möchte mit Hilfe von Musik den Genuss der Gesamtsitu­ation erhöhen. Für ihn muss die Musik zum Ambiente passen; auch aktuelle HouseHits wie Selena Gomez’ „Slow Down“empfindet er als angenehm, solange sie leise im Hintergrun­d bleiben. Wenn die Musik stimmt, gibt er mehr Geld für Speisen aus.

Der will mit Musik seine eigene Stimmung positiv aktivieren. In Sachen Musik wagt er lieber keine Experiment­e, er bevorzugt aus den Medien bekannte Musik wie „Ham kummst“von Seiler und Speer oder „This Town“von Kygo. Passt die Musik, gibt er mehr für Speisen Getränke aus.

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