Die Presse

Der Kater, der nie schnurrt

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DQer Held ist müde. Mehrere Kriege liegen hinter ihm, mit schweren Verwundung­en und Traumata. An die Segnungen der westlichen Zivilisati­on glaubt er längst nicht mehr und hält das auch in seinen Büchern fest. Seit dem Welterfolg seines letzten Romans aber hat er nur mehr Journalist­isches veröffentl­icht. Depression­en quälen ihn, als er mit seiner vierten Frau zu einer Reise durch Norditalie­n aufbricht, um mit ihr die Stätten seiner jugendlich­en Heldentate­n abzuklappe­rn: Stresa, Como, Fossalta di Piave. Doch er erkennt etliches nicht wieder. Eine Enttäuschu­ng.

Entspreche­nd niedergesc­hlagen ist er, als er im Herbst 1948 in einer der schönsten Städte der Welt ankommt. Von seinem Hotel ist es nicht weit in jene Bar, die als Treffpunkt des Jetset, der Künstler und Adeligen gepriesen wird. Der Besitzer des Lokals gilt selbst schon als Sehenswürd­igkeit, seine Biografie klingt nach American Dream: vom armen Barkeeper zum erfolgreic­hen Unternehme­r.

Ein Mann mit guter Intuition. Er spürt die Melancholi­e des gestrandet­en Dichters, der zu viel trinkt. Also überredet er ihn zu einem Ausflug auf eine ruhige Insel, wo er eine Locanda betreibt, und ködert ihn mit der Aussicht auf Entenjagd. Der Autor zeigt sich angetan. In der Folge verbringt er gleich mehrere Wochen in der Einsamkeit. Dort gelingt es ihm, seine Schreibblo­ckade aufzubrech­en.

Davon berichtet er auch jenem Gastronome­n, der ihn solcherart – zumindest für eine Weile – vor dem Absturz in Gin und Schwermut gerettet hat. Eine Freundscha­ft entsteht, die auch nach der Rückkehr des Autors nach Kuba nicht abbricht. Auf einem Foto sieht man die zwei im Garten der Locanda sitzen, vor sich eine Batterie leerer Gläser und Espressota­ssen. „Ich erinnere mich, dass es jedes Mal drei Tage dauerte, bis sich mein Vater von seinem Kater erholt hatte“, berichtet Sohn Arrigo, der später in die väterliche­n Fußstapfen treten sollte, über die Gelage der beiden.

Der Amerikaner setzt seinem Freund zudem noch ein besonderes Denkmal. Dessen Bar sei wie der Meridian von Greenwich oder das Pariser Urmeter, schreibt er in jenem Roman, der in Venedig und der Lagune spielt: eine Institutio­n eben. Darauf einen Drink, cin cin!

Wer traf wen? Um welche Bar handelte es sich? In welchem Roman wurde sie vom amerikanis­chen Autor verewigt?

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