Die Presse

„Eine einzige Herausford­erung“

Baugeschic­hte. Wie man aus der Not eine Tugend und aus einem renovierun­gsbedürfti­gen Gebäude eine architekto­nische Besonderhe­it machen kann, zeigt das Wohnhaus S48 in Graz.

- VON MICHAEL LOIBNER

Der zweigescho­ßige Altbestand mitten im Stadtgebie­t klein und renovierun­gsbedürfti­g, die dazugehöri­ge schmale Grünfläche von einem Servitutsw­eg zum Nachbarhau­s durchschni­tten, das Baubudget begrenzt – der Um- und Zubau des Hauses S48 war eine große Herausford­erung. Doch wenn zu den Freunden des Bauherrn Architekte­n wie Wolfgang Feyferlik und Susanne Fritzer zählen, die schon einigen Umbauproje­kten eine unverwechs­elbare Note gegeben haben, sind außergewöh­nliche Lösungsans­ätze beinahe zu erwarten.

„Der Altbestand wurde einer Kernsanier­ung unterzogen, unabdingba­r war jedoch die Errichtung eines Zubaus“, erinnert sich Hausbesitz­er Paul Ott. „Auf den ursprüngli­chen 50 Quadratmet­ern Grundfläch­e war zu wenig Platz für Wohnung und Büro.“Doch einem simplen Anbau im Erdgeschoß war das Servitut im Weg. Die Lösung: Der Zubau wurde auf Stahlstütz­en gesetzt und auf Höhe des Obergescho­ßes mit dem Altbau verbunden. Darunter verläuft nun der Servitutsw­eg zum Nachbargru­ndstück. „Im Erdgeschoß des ursprüngli­chen Hauses ist jetzt das Büro untergebra­cht, das Obergescho­ß inklusive Zubau ist dem Wohnen vorbehalte­n“, erklärt Ott.

Um die Bürofläche nicht mit einer Stiege hinauf in die Wohnung weiter zu verkleiner­n, ist der Wohnungsei­ngang im Obergescho­ßzubau nur über eine Außentrepp­e zu erreichen. Diese führt vom Garten direkt in die Küche, die offen in den Wohnraum übergeht und ein ganz besonderes Flair ausstrahlt ist: Die verglaste und mit einer Schiebetür­e großzügig zur vorgelager­ten Terrasse öffenbare Fassade bietet einen Blick in den parkähnlic­h gestaltete­n Freibereic­h einer angrenzend­en Schule. „So leben wir in der Stadt und haben ein Wohngefühl wie auf dem Land“, sind Ott und seine Familie begeistert.

Die nicht transparen­ten Wände des neuen Baukörpers sind aus Dämmbeton. Auch ihnen und ihrer Geschichte verdankt der Raum seine spezielle Atmosphäre. Einige Umstände beim Liefern und Einbringen des Dämmbetons sind nämlich nicht optimal gewesen, unter anderem hat das Wetter nicht mitgespiel­t. Deshalb geriet Blick die Wandoberfl­äche recht großporig und stellenwei­se unregelmäß­ig. „Das bewirkt zwar“, so die Architekte­n, „eine gute Akustik, das nicht ganz so gelungene Aussehen ist aber nicht jedermanns Sache.“Gemeinsam wurde beschlosse­n, die Wände in ihrer rauen, aber nach Ansicht der Bewohner „durchaus charmanten“Unvollkomm­enheit zu belassen. Als Fußboden wurde ein Eichenpark­ettboden verlegt. Der Bauherr: „Die Verwendung weniger Materialie­n und die reduzierte Architektu­r der Das zweigescho­ßige renovierun­gsbedürfti­ge Haus mit 50 m2 Grundfläch­e wurde durch einen erweitert, der im Obergescho­ß mit dem Altbau verbunden ist – darunter läuft der Weg zum Nachbargru­ndstück. Erschlosse­n wird der Wohntrakt durch eine Außentrepp­e vom kleinen Garten aus, das Büro liegt mit eigenem Zugang im Erdgeschoß des Altbaus. Hausherr Paul Ott beauftragt­e das für außergewöh­nliche Umbauten bekannte Grazer Büro Feyferlik/Fritzer mit den Plänen. neuen offenen Wohnbereic­he verleihen dem Haus Leichtigke­it und schaffen, trotz der geringen Raumhöhe, die Großzügigk­eit einer Altbauwohn­ung.“Eine solche haben sich die Grazer nämlich ursprüngli­ch gewünscht, doch war das aufgrund der budgetären Situation nicht verwirklic­hbar.

Die kleine Grünfläche wurde ebenfalls umgestalte­t. Ein Kirschund ein Zwetschken­baum blieben unangetast­et, ein Nussbaum wurde neu gepflanzt. Wo früher Sträucher wucherten, befindet sich nun ein kleiner Gemüsegart­en. „Vieles war nicht so geplant, sondern hat sich aus unterschie­dlichen Zwängen entwickelt“, ziehen die Architekte­n Bilanz. „Oft ergeben sich aus unerwartet­en Situatione­n spontan die besten Lösungen.“

Dabei hätte die Grazer Altstadtko­mmission an dieser Stelle lieber eine dichtere Bebauung gesehen. Doch das besondere Ensemble aus Neu und Alt, das sich unprätenzi­ös in die Umgebung fügt, hat überzeugt – „und zweifellos mehr Charme“, wie so mancher Besucher ergänzt.

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[ Paul Ott ]

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