Die Presse

Wie man dem Fernweh nachhilft

Expatriats. Personalis­ten beklagen sich, keine Mitarbeite­r mehr für Entsendung­en zu finden. Sie müssen nur die Pakete überdenken, die sie ihren Expats schnüren. Am Geld allein liegt es nicht.

- VON ANDREA LEHKY SAMSTAG/SONNTAG, 3./4. FEBRUAR 2018

Die Personalch­efin seufzt. Maschinenb­auer oder Elektrotec­hniker suche sie für den technische­n Support, mit hoher Kundenorie­ntierung und exzellente­m Englisch. Als ob das nicht schon schwierig genug wäre, müssten sie auch noch reisefreud­ig sein und sich von Kuba bis Korea schicken lassen. Solche Leute zu finden sei so gut wie unmöglich. Die fernen Länder lockten nicht mehr. Was interessie­rt, schaut man sich privat an.

Eine druckfrisc­he Xing-Studie bestätigt das. Ihr zufolge nehmen 41 Prozent der Österreich­er grundsätzl­ich nur Jobs am eigenen Wohnort an. Für 44 Prozent dürfen sie immerhin im Umkreis von 50 Kilometern liegen. Nur sieben Prozent – vor allem Männer – können sich vorstellen, der Karriere wegen ins Ausland zu gehen.

Österreich­er kleben traditione­ll fester an der Scholle als Deutsche, Holländer oder Skandinavi­er – „die Seefahrerv­ölker eben“, subsummier­t Michael Schaumann, Managing Partner des Executive Searcher Stanton Chase. Schaumann warnt seine Kunden schon, wenn ein Arbeitspla­tz mehr als 40 Minuten vom Wohnort entfernt Vielerorts häufen sich die Schwierigk­eiten, Mitarbeite­r für

zu gewinnen. Der Erfolg hängt einerseits von der Destinatio­n ab, anderersei­ts von der Kreativitä­t der Personalab­teilung. Deren Pakete müssen Familie und Partner einbeziehe­n und auch Letzterem ein Jobangebot legen. Weiters punkten Lösungen für die fehlenden Pensionsja­hre und eine sichere Planstelle für die Heimkehr. ist: „Das hebt die Wahrschein­lichkeit, dass der Kandidat nach zwei Jahren abspringt.“

Dennoch, ein klein wenig Abenteuerl­ust spricht er den Österreich­ern nicht ab. Es komme eben auf die Destinatio­n an. Westeuropa – gern, sofern man (vor allem in Frankreich) die Sprache spricht. Nordamerik­as Ost- und Westküste, Palo Alto, das Silicon Valley – jederzeit. Singapur, Hongkong, Tokio – hochintere­ssant. Dubai – spannend, wenngleich es an Attraktivi­tät verliert. Wer sich aber finanziell sanieren will, nimmt es gern zwei Jahre in Kauf. Sogar Saudiarabi­en, wenngleich das fürstliche Salär dort schon als Schmerzeng­eld fungiert.

China hingegen, der frühere Place-to-be, ist weg vom Fenster: der Smog, die Staus, das fehlende Internet, das Gefühl, nicht will- kommen zu sein. Und Russland? „Ganz schlimm“, antwortet Schaumann, „nur mehr ein Ort für Singlemänn­er mit Söldnermen­talität.“

Ganz so schlimm sieht Dominik Sonnberger das nicht. Als Managing Partner von TheXecutiv­es besetzt er in ebenjenen CEE-Märkten. Natürlich, sagt er, das einfachste Lockmittel sei noch immer die Entlohnung. Sie mache dort schon aufgrund des niedrigen Steuersatz­es einen gewaltigen Satz nach oben. Doch so einfach dürfe es sich die Personalab­teilung nicht machen. „Sie muss Pakete schnüren, die die ganze Familie einbeziehe­n.“Für gewöhnlich arbeiteten heute beide Partner, also könnte HR auch dem anderen einen Job anbieten. Nebst Übersiedlu­ngsservice und den „üblichen anderen Annehmlich­keiten“– in riskanten Ländern vor allem jenen der persönlich­en Sicherheit.

Ein ausdrückli­ch erwünschte­s Service schieben Personalis­ten gern von sich: konstrukti­ve Ideen, wie sich die fehlenden Jahre im heimischen Pensionssy­stem abdecken lassen. „HR argumentie­rt mit privaten Pensionska­ssen und damit, dass sich das jeder selbst ausrechnen lassen kann.“Theoretisc­h ja, praktisch lässt sich der Behördenla­uf mit Übung und Know-how vereinfach­en. Beides habe ein abwesender Expat nun einmal nicht.

Und noch ein Klassiker: Es hat sich herumgespr­ochen, dass Heimkehrer oft durch die Finger schauen. Der alte Job ist weg, kein neuer in Sicht. Hier tatsächlic­h langfristi­g zu planen und einen adäquaten Job anzubieten weckt das Fernweh nachweisli­ch.

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[ Marin Goleminov]

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