Viele FH für Lehrlinge offen
Lehre II. Der Slogan „Karriere mit Lehre“wird glaubwürdiger, wenn die duale Ausbildung die Option auf ein Studium beinhaltet. Davor sollen Kurse Bildungslücken schließen.
Auch wenn die Lehrlingszahlen laut Wirtschaftskammer um drei Prozent gestiegen sind, zeigt der anhaltende Fachkräftemangel, dass bei jungen Leuten nach wie vor die Reifeprüfung als Türöffner für alle beruflichen Möglichkeiten inklusive Hochschulstudium gilt. Mit der Lehre verbindet sich hingegen eher die Vorstellung des Zufallens der Tür zu beruflichem und gesellschaftlichen Aufstieg. Entsprechend hat der Rat für Forschung und Technologieentwicklung im Vorjahr dazu aufgerufen, „Weiterbildungsmodelle zu entwickeln, die jungen Menschen vermitteln, dass das Modell der dualen Lehre über eine Meisterprüfung hinaus attraktive Möglichkeiten bieten kann, etwa eine hochschulische Weiterbildung an einer FH anzuschließen“. Ohnehin zählt die Förderung von Studienwerbern ohne Matura zu den Grundsätzen des FH-Studiengesetzes.
Die Fachhochschulen tun daher einiges, um das Studium für Personen mit Lehrabschluss, Fachschuldiplom oder Meisterprüfung zu öffnen. An etlichen Standorten wurden eigene Vorbereitungslehrgänge ins Leben gerufen, die zur Studienbefähigungsprüfung führen, dem Pendant der Studienberechtigungsprüfung an Universitäten. In diesen Lehrgängen werden die für ein Studium nötigen Grundlagen vermittelt, vor allem in Deutsch, Mathematik und Englisch, oft zudem in einem für das gewünschte Studium unverzichtbaren Fach, etwa Physik. Die Kurse dauern in der Regel ein bis zwei Semester und sind oft modular auf die Vorkenntnisse der Teilnehmer abgestimmt.
Einen solchen Vorbereitungslehrgang absolvierte vor 17 Jahren Michael Pertl an der FH Burgenland. Der Kärntner hatte zuvor seine Lehre zum Installateur und Heizungstechniker absolviert. „Ich wollte das praktische Wissen mit Theorie verbinden. In der Lehre stand das nicht im Vordergrund“, sagt Pertl. „Außerdem habe ich meine Zukunft nicht auf der Baustelle allein gesehen.“Am schwierigsten sei im Vorbereitungslehrgang für ihn die höhere Mathematik gewesen. „Das hatten wir in der Hauptschule nicht.“Mit dem Diplomstudium Gebäudetechnik und Gebäudemanagement, das Pertl absolvierte, konnte er sich zwei berufliche Standbeine aufbauen. Heute ist er technischer Leiter und Produktmanager einer Solartechnikfirma und hat sich parallel mit einem technischen Büro selbstständig gemacht.
Gebäudetechnik ist das von Lehrberufsabsolventen am meisten frequentierte Studium der FH Burgenland, gefolgt von den Bachelorstudiengängen Energie- und Um- weltmanagement und IT-Infrastruktur-Management.
Der jährliche Vorbereitungslehrgang, den die FH Burgenland am Standort Pinkafeld veranstaltet, wird sehr gut angenommen. Die Teilnehmerzahl habe sich in den letzten fünf Jahren jeweils um rund ein Viertel gesteigert, sagt Andrea Kelz, Leiterin des Zentrums für Vorbereitungslehrgänge der FH. Ein Drittel der Teilnehmer verfügt über einen Lehrabschluss in überwiegend technischen Berufen, ein Drittel über den Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule (größtenteils in wirtschaftlichen Bereichen oder in Gesundheitsberufen). „Was die Teilnehmer dennoch gemein haben, ist, dass kaum jemand ohne vorhergehende Berufserfahrung in ein Studium einsteigt und sie meist ihre Tätigkeiten weiter ausüben, was aufgrund des berufsbegleitenden Studienangebots auch möglich ist“, sagt Kelz.
Vor allem Österreichs größere Fachhochschulen, primär solche mit technischen Studiengängen, haben eigene Vorbereitungslehrgänge entwickelt. An der FH Joanneum zum Beispiel wurde an deren Standorten Graz und Kapfenberg ein einjähriger Studienbefähigungslehrgang (SBL) eingerichtet. Das Interesse der Bewerber gelte zwar allen Studiengängen, sagt Martin Pöllinger, Leiter des Weiterbildungsbereichs der FH Joanneum. „Sehr gefragt sind jedoch die berufsbegleitenden Studiengänge, insbesondere in den Bereichen Fahrzeugtechnik/Automotive Engineering und Soziale Arbeit.“
Laut Pöllinger schließen nicht alle Teilnehmer den Lehrgang erfolgreich ab. Die FH Joanneum lege großen Wert auf Qualität, was sich in einer großen Zahl an Lehreinheiten niederschlage (insgesamt knapp 600), aber auch in hohen Ansprüchen an die Lehrgangsteilnehmer. „Sie müssen schließlich in den jeweiligen Fächern erfolgreich sein.“Man achte daher auf die „Passgenauigkeit“dieses Anschlusses durch enge Abstimmung mit den Lehrenden und Studiengangleitern.
Wer es schafft, Lehre und Studium zu verbinden, hat jedenfalls karrieremäßig einige Trümpfe in der Hand. „Mit einer Lehre begonnen zu haben, ist in meiner täglichen Arbeit ein großer Vorteil“, sagt der heutige Gebäudetechniker Michael Pertl. „Ich arbeite in dem Segment viel mit Bauträgern zusammen. Man redet sich einfach leichter, wenn man Ahnung von der Praxis hat.“