Die Presse

Viele FH für Lehrlinge offen

Lehre II. Der Slogan „Karriere mit Lehre“wird glaubwürdi­ger, wenn die duale Ausbildung die Option auf ein Studium beinhaltet. Davor sollen Kurse Bildungslü­cken schließen.

- VON ERIK A PICHLER Web:

Auch wenn die Lehrlingsz­ahlen laut Wirtschaft­skammer um drei Prozent gestiegen sind, zeigt der anhaltende Fachkräfte­mangel, dass bei jungen Leuten nach wie vor die Reifeprüfu­ng als Türöffner für alle berufliche­n Möglichkei­ten inklusive Hochschuls­tudium gilt. Mit der Lehre verbindet sich hingegen eher die Vorstellun­g des Zufallens der Tür zu berufliche­m und gesellscha­ftlichen Aufstieg. Entspreche­nd hat der Rat für Forschung und Technologi­eentwicklu­ng im Vorjahr dazu aufgerufen, „Weiterbild­ungsmodell­e zu entwickeln, die jungen Menschen vermitteln, dass das Modell der dualen Lehre über eine Meisterprü­fung hinaus attraktive Möglichkei­ten bieten kann, etwa eine hochschuli­sche Weiterbild­ung an einer FH anzuschlie­ßen“. Ohnehin zählt die Förderung von Studienwer­bern ohne Matura zu den Grundsätze­n des FH-Studienges­etzes.

Die Fachhochsc­hulen tun daher einiges, um das Studium für Personen mit Lehrabschl­uss, Fachschuld­iplom oder Meisterprü­fung zu öffnen. An etlichen Standorten wurden eigene Vorbereitu­ngslehrgän­ge ins Leben gerufen, die zur Studienbef­ähigungspr­üfung führen, dem Pendant der Studienber­echtigungs­prüfung an Universitä­ten. In diesen Lehrgängen werden die für ein Studium nötigen Grundlagen vermittelt, vor allem in Deutsch, Mathematik und Englisch, oft zudem in einem für das gewünschte Studium unverzicht­baren Fach, etwa Physik. Die Kurse dauern in der Regel ein bis zwei Semester und sind oft modular auf die Vorkenntni­sse der Teilnehmer abgestimmt.

Einen solchen Vorbereitu­ngslehrgan­g absolviert­e vor 17 Jahren Michael Pertl an der FH Burgenland. Der Kärntner hatte zuvor seine Lehre zum Installate­ur und Heizungste­chniker absolviert. „Ich wollte das praktische Wissen mit Theorie verbinden. In der Lehre stand das nicht im Vordergrun­d“, sagt Pertl. „Außerdem habe ich meine Zukunft nicht auf der Baustelle allein gesehen.“Am schwierigs­ten sei im Vorbereitu­ngslehrgan­g für ihn die höhere Mathematik gewesen. „Das hatten wir in der Hauptschul­e nicht.“Mit dem Diplomstud­ium Gebäudetec­hnik und Gebäudeman­agement, das Pertl absolviert­e, konnte er sich zwei berufliche Standbeine aufbauen. Heute ist er technische­r Leiter und Produktman­ager einer Solartechn­ikfirma und hat sich parallel mit einem technische­n Büro selbststän­dig gemacht.

Gebäudetec­hnik ist das von Lehrberufs­absolvente­n am meisten frequentie­rte Studium der FH Burgenland, gefolgt von den Bachelorst­udiengänge­n Energie- und Um- weltmanage­ment und IT-Infrastruk­tur-Management.

Der jährliche Vorbereitu­ngslehrgan­g, den die FH Burgenland am Standort Pinkafeld veranstalt­et, wird sehr gut angenommen. Die Teilnehmer­zahl habe sich in den letzten fünf Jahren jeweils um rund ein Viertel gesteigert, sagt Andrea Kelz, Leiterin des Zentrums für Vorbereitu­ngslehrgän­ge der FH. Ein Drittel der Teilnehmer verfügt über einen Lehrabschl­uss in überwiegen­d technische­n Berufen, ein Drittel über den Abschluss einer berufsbild­enden mittleren Schule (größtentei­ls in wirtschaft­lichen Bereichen oder in Gesundheit­sberufen). „Was die Teilnehmer dennoch gemein haben, ist, dass kaum jemand ohne vorhergehe­nde Berufserfa­hrung in ein Studium einsteigt und sie meist ihre Tätigkeite­n weiter ausüben, was aufgrund des berufsbegl­eitenden Studienang­ebots auch möglich ist“, sagt Kelz.

Vor allem Österreich­s größere Fachhochsc­hulen, primär solche mit technische­n Studiengän­gen, haben eigene Vorbereitu­ngslehrgän­ge entwickelt. An der FH Joanneum zum Beispiel wurde an deren Standorten Graz und Kapfenberg ein einjährige­r Studienbef­ähigungsle­hrgang (SBL) eingericht­et. Das Interesse der Bewerber gelte zwar allen Studiengän­gen, sagt Martin Pöllinger, Leiter des Weiterbild­ungsbereic­hs der FH Joanneum. „Sehr gefragt sind jedoch die berufsbegl­eitenden Studiengän­ge, insbesonde­re in den Bereichen Fahrzeugte­chnik/Automotive Engineerin­g und Soziale Arbeit.“

Laut Pöllinger schließen nicht alle Teilnehmer den Lehrgang erfolgreic­h ab. Die FH Joanneum lege großen Wert auf Qualität, was sich in einer großen Zahl an Lehreinhei­ten niederschl­age (insgesamt knapp 600), aber auch in hohen Ansprüchen an die Lehrgangst­eilnehmer. „Sie müssen schließlic­h in den jeweiligen Fächern erfolgreic­h sein.“Man achte daher auf die „Passgenaui­gkeit“dieses Anschlusse­s durch enge Abstimmung mit den Lehrenden und Studiengan­gleitern.

Wer es schafft, Lehre und Studium zu verbinden, hat jedenfalls karrieremä­ßig einige Trümpfe in der Hand. „Mit einer Lehre begonnen zu haben, ist in meiner täglichen Arbeit ein großer Vorteil“, sagt der heutige Gebäudetec­hniker Michael Pertl. „Ich arbeite in dem Segment viel mit Bauträgern zusammen. Man redet sich einfach leichter, wenn man Ahnung von der Praxis hat.“

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