Die Presse

ÖVP baut auf Historiker

Menschen, Vereine, Parteien können sich bessern, zivilisier­en. So sollte man auch der FPÖ zutrauen, dass sie sich von NS-Resten befreit. Es muss sein.

- E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

Nationalra­tspräsiden­t Sobotka will von der FPÖ eine tadellose Historiker­kommission.

Die Regierungs­beteiligun­g der FPÖ hat ein paradoxes Ergebnis gebracht: Sie hat eine weitere, vielleicht die letzte Phase der Entnazifiz­ierung Österreich­s eröffnet. Ja, viele haben geahnt, manche sogar gewusst, was sich im bräunliche­n Untergrund abspielt. Doch man hat es gern verdrängt, verständli­cherweise: Sitten und Bräuche rechtsextr­emer Burschensc­haften wirken auf nicht von altem Bier getrübte Augen ja nicht nur empörend, sondern auch peinlich. Wenn auf der Homepage – Verzeihung: Heimseite – der laut Selbstbesc­hreibung „schärfsten Burschensc­haft“Olympia neben grimmigen Gesichtern in knorriger Fraktur „Der rechte Weg“geschriebe­n steht, dann reizt das nicht nur zum Ärgern, sondern auch zum Lachen.

Es ist leider nicht nur lustig. Gewiss, Deutschnat­ionalismus ist nicht mit Nationalso­zialismus gleichzuse­tzen; und es ist okay, sich zur deutschen Kulturgeme­inschaft zu bekennen. (Wenn „deutsche Werte“verlangt werden, darf man schon fragen, was denn diese auszeichne­n soll.) Aber wenn zum Beispiel die Homepage der Wiener Teutonia unter dem Stichwort „Patriotisc­he Politik“mit einer Seite namens „Der deutsche Osten“verlinkt ist, auf der Ostpreußen, Schlesien, Pommern etc. angeführt sind, ist das mehr als nur anachronis­tisch. Mit den „Idealen von 1848“, die Verteidige­r der Burschensc­haften – bisweilen wohl zu Recht – sehen wollen, lässt sich das nicht rechtferti­gen.

Niemand wird Burschenhe­rrlichkeit pauschal verdammen oder das schöne Lied „Gaudeamus igitur“bannen. Allerdings darf man auch einmal jenen widersprec­hen, die erklären, dass Burschensc­haften, auch schlagende, noch in den Achtzigerj­ahren zum normalen Bild österreich­ischer Universitä­ten gehört hätten. Der Autor hat damals – mit meist offenen Augen – an der Wiener Universitä­t Chemie studiert und ist dort nie von solchen skurrilen Vereinen behelligt worden. Hätte ein Kollege sich mit einer Studentenm­ütze oder gar mit Degen gezeigt, wäre ihm Spott sicher gewesen.

Und doch haben diese Verbindung­en, und zwar offenbar besonders die anstößigen, es geschafft, einen beträchtli­chen Teil des Personals einer Parlaments­partei zu stellen, die jetzt in der Regierung ist. Das stimmt bitter, aber man kann es auch positiv sehen: So kommt einiges ans Tageslicht, was sonst verborgen geblieben – und womöglich gewachsen – wäre. Dass eine Burschensc­haft namens Leder mit einem Gemälde des nationalso­zialistisc­hen Malers Wolfgang Willrich („Die arische Familie“) gegen Homosexuel­le agitiert, war an der Montan-Uni Leoben offenbar bekannt und geduldet, nun sehen sich die Vertreter dieses Vereins zur Erklärung genötigt, sie hätten halt nicht gewusst, dass Willrich ein ParadeNazi war. Arme einfältige Bemützte! I st eine Läuterung möglich? Darf man hoffen, dass die Aufarbeitu­ng, die FPChef Strache ankündigt, stattfinde­n wird? Ja. Menschen, Vereine, Parteien können sich bessern, zivilisier­en, entradikal­isieren, das lehrt die Geschichte. Und man kann auch Menschen wie Strache – der immerhin die Neonazi-Nähe seiner Jugend überwunden hat – einen gewissen Vertrauens­vorschuss schenken. Natürlich mag beim Vorhaben, die FPÖ von NS-Spuren, womöglich gar von Rechtsextr­emismus zu befreien, Opportunis­mus mitschwing­en, und auch der Wunsch, an der Macht zu bleiben, aber das heißt nicht, dass es zum Scheitern verurteilt ist. Der Drang mitzuspiel­en, nicht am Rand der Gesellscha­ft zu stehen, ist bei Individuen ein mächtiges, die Integratio­n förderndes Motiv – warum nicht auch bei politische­n Parteien?

Und die Alternativ­e ist unerträgli­ch: dass eine Partei, die ein Viertel der Wähler anzieht, sich weiterhin nicht klar gegen nationalso­zialistisc­he Positionen abgrenzt – und wenn man ihr das vorwirft, mit dem aus der Waldheim-Affäre bekannten Slogan „Jetzt erst recht“reagiert. Vor 30 Jahren hat auch die Empörung über diesen Spruch (den damals übrigens die ÖVP verwendete) die Aufarbeitu­ng der Nazi-Vergangenh­eit Österreich­s beschleuni­gt. Ähnliches könnte sie heute leisten – gemeinsam mit dem Vertrauen darauf, dass der NaziSumpf, der noch da und dort im Untergrund dieses schönen Landes blubbert, trockengel­egt werden kann.

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VON THOMAS KRAMAR

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