Vorboten des großen Kriegs? Die Lage eskalierte am Wochenende massiv. Erstmals holten Rebellen einen russischen Kampfjet vom Himmel, eine US-Rakete soll eine Panzerbesatzung des Nato-Partners Türkei getötet haben.
Islamistische Militante holen einen russischen Schlachtflieger Typ Suchoi Su-25 „Frogfoot“mit einer tragbaren Fliegerabwehrrakete vom Himmel und erschießen am Boden den Piloten. Kurdenkämpfer töten fünf türkische Soldaten mit einer Panzerfaust, die angeblich von den USA geliefert wurde: Die Lage im Nordwesten Syriens und im Grenzraum zur Türkei eskalierte am Wochenende erheblich und könnte sehr bald sogar zu direkten militärischen Zusammenstößen zwischen Russen, Türken und US-Amerikanern führen.
Die türkische Regierung erneuerte am Sonntag die Warnung an den Nato-Partner USA: Man wolle trotz aller Mahnungen aus Washington den Vormarsch im Norden Syriens ausweiten und bis zum Ostufer des Euphrat marschieren, wenn sich die dortigen Kurdentruppen der mit den USA verbündeten YPG nicht zurückzögen. Damit könnten dortige US-Soldaten ins Visier der Türken rücken. Und: Sollten US-Soldaten YPG-Uniformen tragen oder sich unter die Kurdenkämpfer mischen, würden sie als „Terroristen“betrachtet und bekämpft.
Woher kam die „Fliegerfaust“?
In der Provinz Idlib unterstützt wiederum russisches Militär eine Offensive syrischer Truppen gegen Kämpfer der aus dem Terrornetzwerk Al-Qaida hervorgegangenen Miliz Tahrir al-Sham (HTS). Deren Männer waren es, die die Suchoi abgeschossen hatten, es war der erste solche Erfolg von Rebellen gegenüber russischen Flugzeugen. Auf Videos sieht man die Trümmer in der Ortschaft Khan al-Sabil, etwa eine Tragfläche mit dem roten Stern der russischen Luftwaffe, Triebwerke und eine verkohlte Bordkanone, derweil junge Männer herumstapfen und „Allahu Akbar“skandieren. Einige treten wütend auf das Blech ein.
Woher die HTS diese Fliegerfaust noch unbekannten Modells hatte, ist unklar. Die US-Regierung wies Berichte zurück, wonach die Waffe aus ihren Beständen kommen könnte. „Wir sind sehr alarmiert“, erklärte Heather Nauert, Sprecherin des Außenministeriums. Schließlich könnten solche Waffensysteme, die durchaus bis zu etwa vier bis fünf Kilometern weit fliegen und sich in der Regel durch einen Wärmesuchkopf automatisch ihr Ziel suchen (sie steuern typischerweise die heißen Triebwerksmündungen an), ja auch gegen Passagierflugzeuge eingesetzt werden.
Golfstaaten als Raketen-Finanziers
In mehreren Ländern werden tragbare Flugabwehrwaffen (auch: „Manpads“) gebaut, etwa auch in Russland, China, Frankreich, Pakistan und im Iran. In Syrien tauchten 2012 erste Rebellenvideos von Manpads auf, die zunächst fast alle aus Depots der syrischen Armee stammten. Nach Angaben des Stockholmer Instituts für Internationale Friedensforschung (Sipri) kaufte Damaskus zwischen 1970 und 2008 insgesamt 16.900 russische Manpads meist der Typen Strela und Igla. Auf Fotos der Aufständischen sind aber auch andere Manpads zu sehen, die „von außen“stammten, wie der Syrienexperte Charles Lister von der Brookings In- stitution in Washington sagt. Sie seien demnach 2012 bis 2015 in drei Wellen geliefert worden: nämlich, von wo auch immer her, jedenfalls über die türkische Grenze, und bezahlt von reichen Golfstaaten.
Die USA und europäische Länder, die ihrerseits kurdische Truppen mit Waffen beliefern, haben aus guten Gründen stets ausgeschlossen, auch Fliegerfäuste zu liefern.
Verlustreichster Tag für die Türken
Auch zwischen der Türkei und den USA sorgt die Bewaffnung von Rebellen in Syrien für Spannungen. Der Samstag wurde für die türkische Armee zum bisher verlustreichsten Tag seit Beginn ihrer jüngsten Intervention gegen die YPG in der Gegend um die nordwestsyrische Stadt Afrin am 20. Jänner. Insgesamt starben acht Soldaten, fünf davon in dem von einem Geschoss der Kurden getroffenen Panzer. Dabei habe es sich um eine US-Rakete vom Typ „Tow“gehandelt, hieß es am Sonntag in der regierungsnahen türkischen Zeitung „Yeni Safak“. Unabhängige Beweise dafür gab es nicht; nach einigen Berichten könnte es auch eine russische Panzerabwehrrakete gewesen sein.
Washington hat die YPG für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien aufgerüstet und will mit deren Hilfe eine Truppe von 30.000 Mann aufbauen, die vom IS befreite Gebiete sichern soll. Ankara betrachtet die YPG wegen deren Verbindungen zur verbotenen Kurdengruppe PKK als Terrororganisation und warnt die Amerikaner seit langem, die an die Kurden gelieferten Waffen könnten eines Tages gegen den Nato-Partner Türkei eingesetzt werden.